Dienstag, 13. Oktober 2009

Rauschenberg: Metallenes (bis 17. 1. 10)

Robert Rauschenberg; Mercury Zero Summer Glut, 1987. Metallassemblage: 27 x 44,5 x 21,6 cm, Privatsammlung. © 2009, Estate of Robert Rauschenberg / licensed by VAGA, New York, NY / ProLitteris, 8033 Zürich / VG Bildkunst Bonn. Foto: Glenn Steigelman

Basel.- Das Museum Tinguely zeigt vom 14. Oktober 2009 bis 17. Januar 2010 eine wenig bekannte Werkgruppe aus Rauschenbergs Schaffen mit Metall. Als Meister des Rezyklierens fand Rauschenberg Verwendung für Dinge, die andere wegwerfen, und er verstand es, altem Schrott neues Leben zu verleihen. Zu seiner letzten Serie von Plastiken, Gluts (1986–89 und 1991–95), liess er sich von Objekten inspirieren, die bunt durcheinander gewürfelt in seinem Atelier herumlagen.

Rund zehn Jahre lang suchte Rauschenberg immer wieder den in seiner Nähe, ausserhalb von Fort Myers, Florida, gelegenen Schrottplatz von Gulf Iron and Metal auf und sammelte dort Metallteile von Verkehrsschildern, Auspuffrohren, Kühlergrills, Metallvordächern und so weiter und kombinierte diese zu poetischen, humorvollen Assemblagen, die als Ganzes mehr sind als die Summe ihrer Teile.

Die Ausstellung wurde von der Peggy Guggenheim Collection in Venedig organisiert, die gleichzeitig ihre erste Station im Sommer dieses Jahres war. Sie findet ein Jahr nach dem Tod des grossen Künstlers Robert Rauschenberg statt und wird von Susan Davidson, leitende Kuratorin für Sammlung und Ausstellung am New Yorker Guggenheim Museum, und David White, Kurator, Rauschenberg Estate, gemeinsam kuratiert. Parallel zur Ausstellung Gluts zeigt das Museum Tinguely eine Ausstellung über die Zusammenarbeit von Robert Rauschenberg und Jean Tinguely in den frühen sechziger Jahren.

1964 wurde Rauschenberg an der 32. Biennale von Venedig der Grand Prix für Malerei verliehen – ein Ereignis, das nicht nur seinen Ruf international festigte, sondern auch die Rivalität zwischen New York und Paris um die Führungsposition in den bildenden Künsten scharf zutage treten liess. Bei der Preisverleihung war Rauschenberg 38 Jahre alt und unterbrach damit die Abfolge der nach dem Krieg an ältere europäische Künstler der Vorkriegszeit verliehenen Preise. Alan Solomon, der Kommissär des amerikanischen Pavillons, brachte bildhafte Combines wie Factum I und II (beide 1957), Bed (1958), Canyon (1959), Winter Pool (1959) und Third Time Painting (1961) mit nach Venedig.

Zu den Gluts erklärt Susan Davidson, dass Rauschenbergs künstlerische Aufmerksamkeit in den 1980-er Jahren den visuellen Eigenschaften von Metall galt. Ob es sich um Assemblagen mit Fundobjekten aus Metall handelte oder um Experimente mit eigenen Fotografien, die er nach dem Siebdruckverfahren auf Aluminium, rostfreien Stahl, Bronze, Messing oder Kupfer übertrug – versuchte Rauschenberg die reflektierenden Eigenschaften sowie die strukturellen, gestalterischen und thematischen Möglichkeiten des Materials auszuloten. Seine erste Werkgruppe mit diesen neuen Materialien waren die Gluts. Inspiriert wurde sie durch einen Besuch in Houston anlässlich der Ausstellung im Contemporary Arts Museum – «Robert Rauschenberg, Work from Four Series: A Sesquicentennial Exhibition».

Mitte der achtziger Jahre steckte die texanische Wirtschaft tief in der Krise, nachdem ein Überangebot am Erdölmarkt (engl. «glut») sie in eine Rezession gestürzt hatte. Rauschenberg konnte sich von der wirtschaftlichen Misere in der Region überzeugen, als er Tankstellenschilder sowie verfallene Fahrzeug- und Industrieteile einsammelte, die in der Gegend herumlagen. Zurück in seinem Atelier in Captiva, Florida, verwandelte er den Metallschrott in Wandreliefs und freistehende Plastiken, die an seine früheren Combines erinnern.

Auf die Bedeutung seiner Gluts angesprochen, meinte Rauschenberg: «Es ist eine Zeit des Überflusses. Gier greift um sich. Ich decke einfach auf, versuche, die Leute wachzurütteln. Ich will die Menschen mit ihren Ruinen konfrontieren […] Ich sehe in den Gluts Souvenirs ohne Nostalgie. Sie sollen den Leuten die Erfahrung vermitteln, die zahlreichen Möglichkeiten in den Dingen zu entdecken.» Rauschenberg wählte diese Objekte nicht nur wegen ihrer Alltäglichkeit, sondern auch aufgrund ihrer äusserlichen Eigenschaften. Solche Materialien bilden – sowohl einzeln als auch in ihrer Gesamtheit – den Grundbestand seines künstlerischen Vokabulars. Er hatte eine intuitive Affinität zu Schrott. «Nun, ich habe ein Mitgefühl für herrenlose Gegenstände, deshalb versuche ich, sie wenn immer möglich zu bergen.»


Der Katalog Robert Rauschenberg: Gluts erscheint in einer deutschen Ausgabe mit einem Geleitwort von Roland Wetzel, einem Vorwort von Richard Armstrong und Philip Rylands, und einer Einführung von Susan Davdison und David White sowie Essays von Susan Davidson, Mimi Thompson und Trisha Brown. Guggenheim Publications, New York, 2009, 120 SS., mit zahlreichen Schwarz-Weiss- und Farbillustrationen, CHF 42.-

Robert Rauschenberg - Gluts
14. Oktober 2009 bis 17. Januar 2010
Museum Tinguely
Paul Sacher-Anlage 1
CH - 4002 Basel
0041 (0)61 68193-20
infos@tinguely.ch
http://www.tinguely.ch

Öffnungszeiten:
Di bis So 11 – 19 Uhr
Montag geschlossen

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