3land.- Gott ist ja wohl allwissend, dazu noch omnipotent. Und ganz offensichtlich ein Mann. Wenn er nämlich das Paradies samt den dazugehörigen, schon aus der Bibel bekannten Bewohnern schafft, dann erinnert sein Frauenbild eindeutig an Lara Croft. Insofern ist Gott auch ganz modern. Ist ja auch kein Wunder, Walter Hürster hat ihn modernisert. Das alles kommt Ihnen kraus und ungereimt vor? Ist es, und gleichzetig durchaus ordentlich gereimt, auch noch auf Alemannisch. "Die alemannische Schöpfungsgeschichte" heißt das Buch, das besagter Walter Hürtser nach einem Lustspiel von Sebastian Sailer verfasst hat. 60 Seiten von der Erschaffung der Welt und des Paradieses bis zur Vertreibung von Adam und Eva aus demselben.
Was, Sie kennen Sebastian Sailer nicht? Er war ein oberschwäbischer Ordensmann mit offenbar deftiger Vorstellungskraft (das soll bei Ordensmännern ja nicht so selten sein), der im 18. Jahrhundert lebte und durch Witz und Schlagfertigkeit bekannt wurde. Das zumindest behauptet der Prospekt der Edition Isele, in der das Büchlein herausgekommen ist. Schon Sailer hat sich demnach für seine Version von der Erschaffung der Welt der Mundart bedient, wahrscheinlich der Oberschwäbischen.
Hürster hat die Geschichte dann ins Alemannische übertragen. Eine bemerkenswerte Beschäftigung für einen gebürtigen Ortenauer, der einst in Freiburg Phyik studierte. Aber warum auch nicht. Erstens ist das so etwas wie halb postume badisch-schwäbische Völkerverständigung, und zweitens gibt es inzwischen Mundartdichter, die sich sogar mit japanischen Haikus beschäftigen. Dagegen ist ein Sailer nur noch periferes Ausland.
Jedenfalls hat Gott sich offenbar viele Gedanken gemacht, bevor er die Welt erschuf. Was man wiederum verstehen kann, da war ja auch einiges zu bedenken. Gottdämmerung nennt man so etwas, denn es hat im sozusagen gedämmert (es gab ja anfangs noch kein Licht). Allerdings ist nicht so ganz klar, ob diese Überlegungen - die manchmal wirklich so kraus und reifüberzogen anmuten wie Grünkohl im Winter - jetzt der Sailerschen oder der Hürsterschen Fassung entspringen. Ist ja eigentlich auch egal. Gott kann schließlich alles, also darf er auch ein bisschen kraus sein. Für jene Leser, die es lieber intellektueller wollen, fügt der Verlag seiner Ankündigung noch eine künstlerisch wertvolle Erklärung bei: Diese Schöpfungsgeschichte ist demnach ein "Dialektspiel" aufgebaut aus "Arien und Rezitativen, ein dreiaktiges Melodram mit vier Rollen (Gott, Adam, Eva, bis zur vierten bin ich offenbar nicht gekommen oder es ist eine verschwindend kleine Rolle) sowie einer Singstimme (wo war die denn nun wieder?), "das in seiner musikalisch und szenisch aufgebauten Form der Bänkelsängertradition verbunden ist".
Ja, wer's mag...
Zum Alemannisch lernen ganz gut zu gebrauchen. Oh Gott.
Infos:
Hürster, Walter
Die alemannische Schöpfungsgeschichte.
In Mundart erzählt nach einem Lustspiel von Sebastian Sailer
64 Seiten
Hardcover
Belletristik, Erzählungen/Kurzprosa
978-3-86142-435-2