Muttenz.- Spätestens seit der Serie "Golden Girls" ist auch künstlerisch weniger Interessierten klar, das Alter hat viele Facetten. Die Ausstellung "Golden Agers & Silver Surfers", die im Kunsthaus Baselland am 9. August beginnt und bis 4. Oktober läuft, hat zwar eine bestimmte Alters- bzw. Zielgruppe zum Thema, entwickelt aber einen Dialog, der alle Menschen mit einbezieht. Das Alter ist ein gesellschaftlich relevantes Phänomen - abgebildet in der Kunst.Denn im bildnerischen Schaffen unserer Zeit spiegeln sich die Wünsche und Sehnsüchte des Menschen. Gleichzeitig formulieren die Kunstwerke etwas Eigenes, vielleicht auch Fremdartiges, das dieser gesellschaftlichen Realität entgegengesetzt wird.
Der Mensch erreicht ein immer höheres Alter. Er bleibt länger gesund und aktiv. Und er fordert für diesen sogenannten dritten Lebensabschnitt immer eigenständigere Lebensformen. In 20 Jahren werden auch die Babyboomer in Pension gehen. Die westliche Gesellschaft wird voraussichtlich zur Mehrheit von Menschen gebildet, die über 60 Jahre alt sind. Wer heute geboren wird, erreicht Prognosen zufolge mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit das Alter von 100 Jahren. Wie sieht die Zukunft der Menschen aus, wenn sie immer älter werden? Vieles deute darauf hin, so prognostiziert der Zukunftsforscher David Bosshard, dass die Erfinder der Jugendkultur auch zur Gründergeneration einer neuen Alterskultur werden. Sicher ist bereits heute, dass die künftigen "Senioren" eine vollkommen neue Wirklichkeit erleben: Sie wollen auf keinen Fall alt werden und haben sich einem rigorosen "Power Aging" verschrieben. Sie führen ein aktives Leben und sind sportlich. Sie reisen, sie konsumieren, sie pflegen ihren Körper und sie haben sich mit der Prämisse der kompetitiven Schönheit im gleichen Masse auseinanderzusetzen wie jüngere Menschen.
Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts besass das Alter als künstlerisches Thema einen festen Platz in der Kunstgeschichte. Schliesslich stand ein hohes Lebensalter für Werte wie Erfolg und Weisheit. Wer es schaffte, alt zu werden, war erfolgreich, intelligent oder schlau und hatte dank grösserer Lebenserfahrung einen gesellschaftlichen Image-Gewinn.
Die Abkehr vom Bild des Alters in der Kunst hat allerdings bereits in der Renaissance eingesetzt: Die Hinwendung zum Diesseits war nicht nur verbunden mit der Säkularisierung der Kultur, sondern auch mit einer zunehmenden Verherrlichung der Jugend. Trotzdem portraitierte Hans Holbein d. J. den damals bereits 88jährigen John Chambers, seines Zeichens Hofarzt des englischen Königs: "ETATIS SUE 88" lautet der prominent ins Bild gerückte Hinweis auf das Alter des Promi-Arztes. Im Venedig des 16. Jahrhunderts verhielt es sich gar so, dass das Alter mehr bedeutete als jeder andere Lebensabschnitt. Das Altehrwürdige bestimmte die meisten Einrichtungen des Staatswesens und bildete sich auch in einer grossen Zahl von Gemälden ab, die damals in der Lagunenstadt entstanden – besonders eindringlich in einem Bild von Tintoretto, "Alter Mann und Knabe". Seit der klassischen Moderne und vor allem seit dem Aufbruch der 1968er-Generation ist das Alter fast komplett aus der Ikonographie der Kunst verschwunden – paradoxerweise im Gegensatz zur gesellschaftlichen Virulenz der Thematik.
Die breit und international angelegte Ausstellung Golden Agers & Silver Surfers versucht, vor allem mit jüngeren Künstlerpositionen auf jene Diskrepanz aufmerksam zu machen. Sie zeigt Arbeiten, die sich essayistisch oder symbolisch mit der Sterblichkeit befassen (Gabriela Gyr, Melli Ink, Bruno Jakob), ebenso wie mit den Alterungsprozessen (Charlie White, Julika Rudelius, Keren Cytter), die sich das Alter in jungen Jahren – quasi wörtlich – auf den Körper schreiben (Miwa Yanagi), die sich mit Institutionen der Gesellschaft auseinandersetzen, die für den alten Menschen geschaffen wurden (Anna Winteler, Thomas Müllenbach) oder den individuellen und persönlichen Eigenheiten von Alter auf die Spur gehen (Gitte Villesen). Dass es fürs Altwerden neue Vor-Bilder geben muss, ist schliesslich im Werk einer jungen Maler-Generation eingeschrieben. Paul Pretzer und Ryan Mosley befreien das Thema Alter mit frischem Pinselschlag und heiterem Augenzwinkern aus der ikonografischen Marginalisierung.
KünstlerInnen: Keren Cytter, Regine von Felten, Manuel Graf, Gabriela Gyr, Melli Ink, Bruno Jakob, Stephan Melzl, Ryan Mosley, Thomas Müllenbach, Paul Pretzer, Julika Rudelius, Max Philipp Schmid, Gitte Villesen, Herbert Weber, Charlie White, Anna Winteler, Miwa Yanagi
Bild: Paul Pretzer; Alter Hase, 2009. Courtesy Galerie Hamish Morrison, Berlin
Öffnungszeiten: Di, Do bis So 11 – 17 Uhr Mittwoch 14 – 20 Uhr
Golden Agers & Silver Surfers
Das Bild des Alter(n)s in der zeitgenössischen Kunst
9. August bis 4. Oktober 2009
Eröffnung: Sa 8. August 09, 19 Uhr
Kunsthaus Baselland
St. Jakob-Strasse 170
CH - 4132 Muttenz/Basel
0041 (0)61 31283-88
office@kunsthausbaselland.ch
http://www.kunsthausbaselland.ch
Allerlei Zweifel in der Eifel
Wer noch immer glaubt, Liebe und Mordlust haben nichts miteinander zu tun, wird vom Leben manchmal eines Besseren belehrt. Und wenn dann auc...
-
3land.- Dieses Mal geht es ohne lange Vorrede direkt zu den 3land-Termintipps. Aber halt. Zunächst wollen wir von der Redaktion Ihnen auf j...
-
Robert Schneider, 100 Frauen, 2008. Quelle: Kulturamt Waldshut B onndorf.- „Die Ausstellung „Robert Schneider: Mit einem schwarzen Pinsel&qu...
-
Bildlegende:Emil Nolde, Herbstmeer XI, 1910 Öl auf Leinwand, 70 x 89,5 cm Kunsthaus Zürich © 2009 Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde Zürich...