Zürich.- Porzellanmanufakturen in Europa werden im Moment wirtschaftlich schwer gebeutelt: Rosenthal etwa hat Insolvenz angemeldet. Der chinesische Markt überschwemmt die Welt mit Billigware, und die Konsumenten scheinen keinen Bedarf mehr an Tafelservices zu haben. Die Ausstellung im Museum Bellerive scheint den richtigen Zeitpunkt zu treffen, um zu zeigen, dass gewisse Materialien allen Krisen zum Trotz über Jahrtausende hinweg nicht verschwinden und immer wieder Revivals erleben.
Rosenthal mag die Tore schliessen müssen, doch ein Beispiel aus der Geschichte des Porzellans zeigt: Wenngleich die chinesischen Öfen im 16. Jahrhundert aus politischen Gründen komplett zerstört wurden, übte der Werkstoff weiterhin seine Faszination auf Künstlerinnen und Gestalter aus.
Porzellan wurde, laut neueren Forschungen, bereits 1300 vor Christus in China gebrannt. Im 13. Jahrhundert gelangte es nach Europa und galt in vieler Hinsicht als grosse Kostbarkeit, weshalb es «weisses Gold» genannt wurde. Im Barock war es ein begehrter Luxusartikel und zierte zahlreiche Kabinette europäischer Fürstenhäuser. Bis anhin aus China in grossen Mengen importiert, bemühte man sich hierzulande angestrengt um eine eigene Herstellung und Produktion. Anfang des 18. Jahrhunderts gelang endlich der Durchbruch, und Porzellan wurde zum ersten Mal auch in Europa produziert, genauer gesagt in Meissen, dessen Porzellan-Manufaktur 2010 ihr 300-Jahr-Jubiläum feiert.
Porzellan ist ein Luxusgut, das man sich bis heute einiges kosten lässt. Ebenso Tafelservices wie repräsentative Einzelwerke waren beliebte Geschenkartikel unter der Aristokratie, und diese Tatsache änderte die Ess- und Tafelkultur. Grosse Manufakturen wie Meissen, Nymphenburg, Hutschenreuther oder die weltberühmte ungarische Herend-Manufaktur hatten im 19. Jahrhundert ihre erste Hochblüte. War Porzellan einst nur den aristokratischen Kreisen vorbehalten, betont aufwendig und kunstvoll bearbeitet, wandelte sich dessen Verwendung und sein Renommee mit der Industrialisierung vollkommen: Porzellan hielt Einzug in die bürgerliche Wohnstube. Aus den höfischen Preziosen wurde ein Massenartikel. Heute werden alte Entwürfe aus dieser Zeit, z. B. das Fischservice von 1899 aus der Nymphenburger Manufaktur, neu aufgelegt und finden ihren Absatzmarkt.
Das Material hat durch seine Härte und Isolierqualitäten ebenfalls die Industrie und Medizin erobert. Im Laufe der Zeit wurde es im Bereich der Autoproduktion und Elektronik verwendet, heute wird es zudem in der Raumfahrt eingesetzt. Seit jeher begeistert die Transparenz des Stoffes auch Gestalterinnen und Künstler. Ein Genre der Kunst wie die Porzellanfiguren, welches nach seiner Blüte im 18. Jahrhundert im Jugendstil noch einmal eine bemerkenswerte Phase erlebte, scheint wieder, durch neue Interpretationen der Inhalte, aber auch neuere Techniken im Studiobereich, ein Revival zu erleben. Faszinierend ist es, zu sehen, welche Möglichkeiten dieses Material bietet. Sperrige Produktionsprozesse halten Kunstschaffende meist nicht von Experimenten ab. Anhand von Objekten namhafter Designer und Künstlerinnen wird ein neuer Umgang mit traditionellen Themen wie dem Tafelaufsatz oder der Figur gezeigt, aber auch Industrieprodukte und zeitgenössisches Design kommen zum Zug.
Abbildung:
Gundi Dietz
Befindlichkeit
Limoges-Porzellan, 1998
Gundi Dietz, Mödlingen;
Photo: © Gundi Dietz
Öffnungszeiten: Di bis So 10 - 17 Uhr, Donnerstag 10 – 20 Uhr, Montag geschlossen
Porzellan - Weisses Gold
10. Juli bis 25. Oktober 2009
Vernissage: Do 9. Juli 09, 19 Uhr
Museum Bellerive
Höschgasse 3
8008 Zürich
0041 (0)43 446-469
info@hgkz.ch
http://www.museum-bellerive.ch
Sonntag, 5. Juli 2009
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