Dienstag, 6. Oktober 2009

Musik aus Theresienstadt

Anne Sofie von Otter singt Mariettas Lied (youtube)

Basel.- Beim nächsten AMG-Solistenabend am Sonntag,, 11. Oktober, im Stadtcasino Basel ist Musik aus Theresienstadt zu hören. In ihrem Lied- und Kammermusikprogramm Terezín singt Anne Sofie von Otter Musik von verfolgten und im Konzentrationslager Theresienstadt inhaftierten Komponisten. Es sind bewegende Werke, die unter aussergewöhnlichen Bedingungen entstanden. Mit dabei: der Geiger Daniel Hope, von Otters langjähriger Klavierpartner Bengt Forsberg und der Multiinstrumentalist Bebe Risenfors.

Mit dem Namen Theresienstadt, tschechisch Terezín, verbindet sich eine der grössten Propagandalügen des Naziregimes. Durch das Vorzeigelager wurden Besucher, darunter auch Inspektoren vom Internationalen Roten Kreuz, geführt. Hier gab es Theater, Konzerte, Kaffeehäuser. Angeblich auch Freiheit für die Künstler. Tatsächlich gaben sie bloss Statisten in einer inszenierten Wirklichkeit ab, die von der Endlösung ablenken sollte. Theresienstadt war ein Konzentrationslager wie jedes andere auch, dessen Häftlinge Hunger und Erniedrigungen erlitten, Schwerstarbeit leisten mussten und zu Tausenden nach Auschwitz in den Tod geschickt wurden.

Musik, die unter solchen Bedingungen entsteht, hat eine aussergewöhnliche Bedeutung, sei sie nun anspruchsvoller Kunstmusik oder leichteren Genres wie etwa der Operette zuzuordnen. Für ihre Verfasser war sie Bekenntnis zum Widerstand gegen den Versuch der Nationalsozialisten, sie aus der europäischen Kulturtradition zu vertreiben. In ihrem Selbstverständnis blieben diese Künstler Menschen und wehrten sich dagegen, blosse Gefangene zu sein. Der in Theresienstadt inhaftierte Komponist Viktor Ullmann formulierte es so: Wir sassen keineswegs bloss klagend an Babylons Flüssen. Unser Kulturwille war unserem Lebenswillen adäquat.

Viktor Ullmann, Erwin Schulhoff oder Pavel Haas sind heute keine Unbekannten mehr. Das ist Initiativen wie derjenigen Anne Sofie von Otters zu verdanken. Ihr erste Begegnung mit Kompositionen aus Theresienstadt – darunter auch solchen der Dichterin und Komponistin Ilse Weber – habe in ihr einen tiefen, unauslöschlichen Eindruck hinterlassen, schreibt sie. In einem Leben voll unvorstellbaren Leidens boten Musik und andere Kunstformen den Häftlingen in Theresienstadt einige wenige kostbare Augenblicke des Trostes und heiterer Ablenkung. Ich war und bin zutiefst bewegt beim Gedanken an das grausame, furchtbare Schicksal dieser unschuldigen Gefangenen. Erstmals sang von Otter die Lieder im Jahr 2000 am Internationalen Holocaust-Forum in Stockholm.

Für die schwedische Mezzosopranistin Anne Sofie von Otter ist Basel altvertraut. Ab 1982 war sie hier am Theater engagiert und trat in Opern von Mozart und Strauss auf. Ihre Zusammenarbeit mit dem Pianisten Bengt Forsberg geht noch weiter zurück und wurde vielfach preisgekrönt. Anne Sofie von Otter ist sowohl in der Oper zuhause, und zwar vom Barock über Wagner bis in die Gegenwart, als auch im Konzert, etwa mit Werken von Gustav Mahler. Ihr Lied-Repertoire umfasst Musik vom Frühbarock bis zu den Songs von Elvis Costello oder der schwedischen Popgruppe ABBA, die sie mit Erfolg auf CD aufgenommen hat. Kommenden Dezember kehrt sie in Jacques Offenbachs Grande-Duchesse de Gérolstein ans Theater Basel zurück. Ihr Schaffen ist auf über 60 CDs dokumentiert.
Der englische Geiger Daniel Hope hat sich wiederholt mit den Themen Musik und Nationalsozialismus auseinandergesetzt. So etwa vergangenen November in einer Grossveranstaltung im ehemaligen Berliner Flughafen Tempelhof, mit der Hope an die Pogrome der sogenannten Reichskristallnacht erinnerte. Im Mai 2005 trat er in der KZ-Gedenkstätte Dachau mit dem Projekt Forbidden Music auf, einer Collage aus Kompositionen und Texten ehemaliger KZ-Häftlinge. Sein breites Repertoire, mit dem er in Konzerten weltweit zu hören ist, weist einen starken Moderne-Akzent auf. Hope hat mehrere Bücher verfasst. Zuletzt den bei Rowohlt auf deutsch erschienenen Wegweiser für Konzertgänger mit dem Titel Wann darf ich klatschen?.
Bebe Risenfors ist ein brillanter Multiinstrumentalist. Vielseitig begabt ist er auch in vielen musikalischen Welten zuhause: im Jazz, in der Theatermusik, in der Improvisation. Risenfors komponiert und wirkt als Produzent verschiedener skandinavischer Popmusiker.

AMG-Solistenabend
Sonntag, 11. Oktober 2009, 19.30 Uhr
Musiksaal, Stadtcasino Basel
Terezín / Theresienstadt
Musik von Ilse Weber, Karel Švenk, Emmerich Kálmán, Robert Dauber, Viktor Ullmann, Karel Berman, Carlo Sigmund Taube, Erwin Schulhoff und Pavel Haas

Anne Sofie von Otter, Mezzosopran
Daniel Hope, Violine
Bebe Risenfors, Klarinette, Akkordeon, Gitarre
Bengt Forsberg, Klavier


Vorverkauf: Billettkasse im Stadtcasino, Steinenberg 14, 4051 Basel Tel. +41 (0)61 273 73 73 sowie über www.konzerte-basel.ch

Nächste AMG-Konzerte
- 14./15. Oktober 2009. Tabea Zimmermann, Viola. Sinfonieorchester Basel, Leitung Steven Sloane. Schubert, Bartók, Schumann.

- 16. Oktober 2009. Rising Stars. Alicja Smietana, Violine. Evelyne Berezovsky, Klavier. Schumann, Lutoslawski, Szymanowski.
- 17. Oktober 2009. Krystian Zimerman, Klavier. Bach, Beethoven, Brahms, Szymanowski.

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