Charlotte Perriand und Fernand Léger; Pavillon de l’Agriculture: La France agricole. Fotomontage für die Weltausstellung in Paris 1937, Originalgrösse: 4.60 x 6.20 m. Foto: François Kollar, Farbrekonstruktion: Jacques Barsac, 2010. © AChP / ADAGP
Zürich.- Charlotte Perriand (1903–1999) ist eine der innovativsten Innenarchitektinnen und Möbelentwerferinnen des 20. Jahrhunderts. Das Museum für Gestaltung Zürich präsentiert vom 16. Juli bis 24. Oktober 2010 eine umfangreiche Werkschau dieser Protagonistin der Moderne, welche nicht nur eine Veränderung der Formen, sondern zugleich die Verbesserung sozialer Bedingungen anstrebte.
Charlotte Perriands lange und vielfältige Karriere überspannt einen grossen Teil der Moderne in Frankreich. Schon bald nach dem Studium an der École de l’Union centrale des arts décoratifs wird sie auch international bekannt, als sie im Alter von 24 Jahren Atelier-Partnerin von Le Corbusier und Pierre Jeanneret wird und mit ihnen Stahlrohrmöbel wie die «Chaise longue basculante» (1928) entwickelt. In den 1930er Jahren wendet sich Charlotte Perriand dem Naturmaterial Holz zu, welchem sie freie Formen abgewinnt. Diese Verbindung von Material- und Forminteresse, aus dem Regale, Tische, Sessel oder stapelbare Sperrholzstühle entstehen, beschäftigt sie bis weit in die 1950er Jahre hinein. Zahlreiche der Möbelentwürfe von Charlotte Perriand werden bis heute hergestellt. So werden die Besucher und Besucherinnen der Ausstellung über ein Dutzend Möbel aus der aktuellen Produktion der Firma Cassina benutzen können, um sich auf diese Weise ein eigenes Bild von deren Qualitäten zu machen.
Ab den frühen 1930er Jahren erhält die Fotografie, die sie auf radikal-moderne Weise betreibt, eine impulsgebende Rolle für ihr gesamtes Werk. Es entstehen grandiose Inszenierungen von am Strand oder auf Schrottplätzen gefundenen magischen Objekten. Das Interesse für die Poesie dieser sogenannten «Art Brut» teilt Charlotte Perriand mit Pierre Jeanneret und Fernand Léger, mit denen sie in jenen Jahren wiederholt zusammenarbeitet.
Sie verwendet das Medium Fotografie aber auch für grossformatige Foto-Text-Collagen, die sie für Ausstellungen realisiert. So zeigt sie am Pariser Salon des arts ménagers von 1936 in einer gestalterisch wie didaktisch überzeugenden Gegenüberstellung einerseits eine 3 x 15 m grosse Arbeit mit dem Titel «La Grande Misère de Paris» zu den prekären Lebensverhältnissen in der französischen Metropole und anderseits preisgünstige Möbelentwürfe für den Wohnbereich. Im folgenden Jahr 1937 gestaltet sie gemeinsam mit Fernand Léger den Pavillon des französischen Landwirtschaftsministeriums an der Weltausstellung in Paris. In solchen kraftvollen Werken verbindet sie eigene Fotos mit solchen anderer Autoren zu Plädoyers für gesellschaftliche Anliegen.
Diese ephemeren Arbeiten werden für diese Ausstellung in ihren wesentlichen Teilen rekonstruiert. Und es werden zahlreiche noch nie gezeigte Werke zu sehen sein, vor allem aus dem Nachlass von Charlotte Perriand in Paris, dessen reichhaltige Bestände erstmals uneingeschränkt für eine Ausstellung zur Verfügung standen. Fotografien, die sie zu den Themen «Landschaft» und «Architektur» sowie zur «condition humaine» der wenig begüterten Bevölkerung in der Stadt und auf dem Lande macht, verdienen dabei besondere Beachtung. Und Aufnahmen, die befreundete Fotografen von ihr machten, ermöglichen einen Einblick in ihr Leben.
Das facettenreiche Werk und der Werdegang von Charlotte Perriand, die 1937 ihr eigenes Atelier begründet, sind ein ebenso frühes wie bemerkenswertes Beispiel für den weiblichen Zugang zur Gestaltung im vergangenen Jahrhundert. Die Ausstellung mit rund 350 Exponaten eröffnet nun die längst überfällige Möglichkeit, diese wichtige Pionierin als Entwerferin von Möbeln, als Fotografin und als sozial engagierte Frau neu zu entdecken.
Die Ausstellung «Charlotte Perriand» ist eine Koproduktion des Museum für Gestaltung Zürich mit dem Petit Palais – Musée des Beaux-Arts de la Ville de Paris sowie dem auf Fotografie spezialisierten Musée Nicéphore Niépce in Chalon-sur-Saône. Nach der ersten Präsentation in Zürich wird die Ausstellung im Frühling 2011 bzw. Ende 2011/Anfang 2012 auch in diesen beiden französischen Institutionen zu sehen sein.
Öffnungszeiten:Di bis So 10 – 17 Uhr, Mittwoch 10 – 20 Uhr
Charlotte Perriand - Designerin, Fotografin, Aktivistin
16. Juli bis 24. Oktober 2010, Halle
Vernissage: Do 15. Juli 10, 19 Uhr
Museum für Gestaltung Zürich
Ausstellungsstrasse 60
CH - 8005 Zürich
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