Mittwoch, 7. November 2012

‚Unser Jeannot‘

Jean Tinguely, Mengele-Totentanz, 1986, Museum Tinguely, Basel, © Foto: Samuel Oppliger / Museum Tinguely, Basel
©The Niki Charitable Art Foundation / ProLitteris 2012

Basel.- Sechzehn Jahre und schon über fünfzig Ausstellungen ist es her seit Eröffnung des Museum Tinguely im Oktober 1996. War die Erinnerung an Jean Tinguely als ‚unser Jeannot‘ und als öffentliche Person damals noch sehr präsent, so rückt mit der zeitlichen Distanz sein Oeuvre wieder mehr in den Mittelpunkt. Tinguely kann heute als wichtiger Impulsgeber der internationalen Kunstszene um 1960 wieder entdeckt werden. Das Museum Tinguely präsentiert jetzt sein Werk neu gesichtet in einer grossen Überblicksausstellung auf über 3000 Quadratmetern. Zusammen mit der Neupräsentation von ‚Tinguely@Tinguely‘ erscheint ein umfassender Sammlungskatalog, der die gewachsene Sammlung und die Arbeit des Museums seit 1996 vorstellt und sowohl als Standardwerk für die künftige TinguelyForschung als auch als Nachttischlektüre für Freunde seiner Kunst gedacht ist.

Die Ausstellung zeigt einen umfassenden Überblick über Tinguelys OEuvre und stellt ihn als grossen Erneuerer und Erfinder der Kunst und insbesondere der kinetischen Kunst nach der Mitte des 20. Jahrhunderts vor. In einem eigentlichen Schaffensrausch erfand er 195455 mit den MétaHerbins, den MétaMalevitchs, den Blanc sur blancs, den ersten Machines à dessiner und den Volumes virtuels in kurzer Zeit Werkgruppen, die den abstrakten Spielformen der europäischen Nachkriegskunst mit ihrer Bewegung, der Einbindung des Zufallsmoments und der Hinwendung zur Aktivierung der Sinne neue Wege eröffneten. Die MétaMalevichReliefs scheinen die Vorstellung Kasimir Malevichs von der aeronautischbewegten Animation und Abstraktion der Landschaft mithilfe der Kinetik zu erfüllen. Die MétaMatics, seine Zeichenmaschinen, liefern eine der subtilsten und gleichzeitig komplexesten Antworten zu Walter Benjamins Diktum des »Kunstwerks im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit«.

Tinguelys Schaffen ist von zahlreichen einschneidenden Wendungen geprägt. Sie zeigen die Offenheit, mit der er seine Kreativität lebte, am Kunstgeschehen teilnahm und dieses auch mitgestaltete. 1960 begann er, Aktionen und Happenings mit einer durch Objets trouvés bestückten radikalen SchrottÄsthetik zu verbinden und die toten Abfallprodukte der Konsumgesellschaft zu neuem, eigensinnigabsurdem, aber oft nur kurzem Leben zu erwecken.

Die sich selbst zerstörenden Kunstwerke und Aktionen, die in Paris, London, New York, Humlebæk, in der Wüste von Nevada und an weiteren Schauplätzen stattfanden, zeigten ihn inmitten einer jungen Tinguely war einer der radikalsten und subversivsten Künstler des 20. Jahrhunderts.

Viele Grundfragen unserer Existenz scheinen in seinen Werken auf: Das Verhältnis des Menschen zur Maschine, das Gemeinschaftswerk, Schönheit und Nutzlosigkeit der Bewegung, der Klang, das Geräusch und die Musik, das Schattenspiel, die Leichtigkeit und die Schwere, die Auflösung und die Leere, die Elemente und die Infragestellung der Rollen von Autor, Zuschauer und Kunstwerk. Dass Tinguelys künstlerische Errungenschaften mit Leichtfüssigkeit, Humor, Ironie und Parodie einhergehen, zählt zu den besonderen Qualitäten seines OEuvres. Es reicht von duchampschem Dadaismus über geometrische Abstraktion und kinetischer Animation bis hin zu barocker Üppigkeit.

Der Katalog zeigt sowohl alle Skulpturen als auch eine großzügige Auswahl der Zeichnungen und Briefzeichnungen. Er umfasst eine ausführliche Biografie, einen Text über die Happenings und Events, bei denen Tinguely beteiligt war, neu recherchierte Verzeichnisse sowie einen Beitrag über die restauratorische Betreuung der Maschinenskulpturen im Museum. Damit wird das Buch ein Standardwerk für Liebhaber der Kunst Jean Tinguelys und der europäischen Avantgarde der 50er und 60erJahre des 20. Jahrhunderts. Erschienen im Kehrer Verlag, S. 552, über 900 Abb., deutsche Ausgabe ISBN 9783952399026, 58 CHF

Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag: 11 bis 18 Uhr (Montag geschlossen)

Tinguely@Tinguely
Ein neuer Blick auf Jean Tinguelys Werk
06. November 2012 – 30. September 2013

Museum Tinguely
Paul Sacher-Anlage 2
CH-4002 Basel
Tel.: +41 61 681 93 20,
infos@tinguely.ch
http://www.tinguely.ch/

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