St. Dié/Freiburg.- Als die Weltkarte des Freiburgers Martin Waldseemüller im April 1507 erschien, erschütterte diese deutsch-französische Koproduktion die Welt. Denn sie vereinigte zum ersten Mal die Ergebnisse der Entdeckungen der Portugiesen und Spanier und das geografische Wissen des Mittelalters, es tauchte ein neuer Kontinent auf. Er trug den Namen "America". Das Internationale Advisory-Komitee für das UNESCO-Programm "Memory of the World" (MOW) hat auf seiner Tagung in Lijang/China nun 29 neue Einträge aus 24 Ländern offiziell in das Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen - darunter aus Deutschland die Hausmärchen der Brüder Grimm und als gemeinsamer amerikanisch-deutscher Antrag auch die Waldseemüller-Karte von 1507.
Die Weltkarte "Universalis cosmographica secundum Ptholomaeie traditionem et Americi Vespucii aliorumque Lustrationes" wurde am Gymnasium Vosagense in St. Dié, Lothringen, unter der Leitung von Martin Waldseemüller erarbeitet. Und der Name "America" war eigentlich die Folge eines Irrtums. Er entstand auf der Grundlage von angeblich vier Reisen des Florentiners Amerigo Vespucci, veröffentlicht in den so genannten Soderini-Briefen. Der 22-jährige Dichter Matthias Ringmann, ein Elsässer, der die Einführung zur Waldseemüller-Karte schrieb, hielt Vespucci für den Entdecker der neuen Welt. Der Florentiner war zwischen 1499 und 1503 mehrmals an die Küsten Mittel- und Südamerikas gereist und hatte dabei die Mündung des Amazonas gefunden.
Aus späteren Karten verschwand der Name "America" wieder. Doch er hatte sich in den Köpfen festgekrallt. So ist die Taufe der neuen Welt auf den Namen "America" eigentlich dem Irrtum von genialen Männern zu verdanken, die als erste den Mut und das Wissen hatten, diese "Terra Incognita" als eigenen Kontinent in eine Weltkarte aufzunehmen und damit das bisherige Weltbild zu korrigieren. Die endgültige Trennlinie zwischen antiker und moderner Kartografie vollzog Waldseemüller dann später mit der Straßburger Ptolemäusausgabe (1513).
Die ersten Editionen der Waldseemüller-Karte wurden wahrscheinlich in der Druckerei von Gaultier Lud hegestellt, dem großen Förderer einer Gruppe von Humanisten und Wissenschaftlern, die sich im Elsass unter dem Schutz von René II., Herzog von Lothringen, zusammengefunden hatten. Es gab allerdings mehrere Versionen und auch Raubdrucke. Doch sie verschwanden im Dunkel der Geschichte. Zusammen mit der Karte hatte Waldseemüller übrigens noch eine Neuentwicklung vorgestellt: Es kamen auch Globensegmente heraus, die man auf eine Kugel kleben und so die Welt plastisch erleben konnte.
In St. Dié wird zu Ehren des Erscheinens der Waldseemüllerkarte übrigens jedes Jahr ein internationales Festival der Geografie organisiert, in diesem Jahr zum 16. Mal. Partnerland vom 29. September bis 2. Oktober ist Italien.
Ein Exemplar der Begleitschrift, der "Introductio", liegt in der Universitätsbibliothek der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Die Kartenblätter und die Globusstreifen wurden Ende des 19. Jahrhunderts wieder entdeckt. Die Globusstreifen sind heute in der James-Ford-Bell-Sammlung in den USA und auch die Karte, die jahrelang auf Schloss Wolfegg in Leutkirch/Baden-Württemberg aufbewahrt worden war, ist inzwischen an die US-Kongressbibliothek verkauft worden. Der Titel der Karten lautet in deutscher Übersetzung: "Der ganzen Welt Beschreibung sowohl auf einem Globus als auch auf einer Plankarte einschließlich der Länder, die dem Ptolemäus unbekannt waren und die jüngst entdeckt worden sind."
Das Weltregister des "Memory of the World" wurde 1997 eingerichtet und umfasst derzeit 120 Einträge.
Quelle: "America" von Rudolf-Werner Dreier, Universität FreiburgRepro der Karten: 3land.info