Samstag, 22. November 2008

Geschichten aus der Schattenwelt


Zürich.- "Geschichten aus der Schattenwelt" spielen sich ab 5. Dezember (bis 24. Mai 2009) im Völkerkundemuseum der Universität Zürich ab. Studierende der Ethnologie präsentierten Schattenspielfiguren aus der Sammlung des Museums. Die bemalten Pergamentfiguren, stammen aus Südchina, aus Südindien sowie aus der Türkei. Die Ausstellung bietet den Besuchern über die Hintergrundinformationen und die Figuren hinaus noch weitere Zugänge: An einer Hörstation können sie typischen Geschichten lauschen - von der historischen chinesischen Erzählung über das indische Heldenepos Ramayana bis hin zur türkischen politischen Satire. Ein Video zeigt, wie mit den Figuren in den drei Ländern gespielt wird. Blicke auf das Weiterbestehen und die Weiterentwicklung der Tradition in Zeiten der Konkurrenz mit modernen Massenmedien runden die Ausstellung ab.Venissage: Donnerstag, 4. Dezember 08, 18 Uhr.

Die Wurzeln des Schattentheaters liegen in Asien. Die meisten Wissenschaftler gehen davon aus, dass es sich von China aus Richtung Westen verbreitete. Den ausgestellten Figuren aus Südchina, Südindien und der Türkei ist gemeinsam, dass sie ursprünglich einen Bezug zum Jenseits, zur übersinnlichen Welt der Götter aufwiesen. Die Ausstellung «Geschichten aus der Schattenwelt» erzählt von diesen sagenhaften Ursprüngen und wie sich das Schattenspiel in den drei Ländern eigenständig weiterentwickelte. Während die Geschichten zum verbreiteten Erzählgut der Kulturen gehören, handelt es sich bei ihrer Darstellung im Schattentheater um eine professionelle Populärkunst. Noch heute stellen die Spieler ihre Figuren selber her und geben ihr Wissen von einer Generation an die nächste weiter.

Einer chinesischen Sage zufolge verlor der Kaiser Han Wudi, der um 100 vor unserer Zeit lebte, unerwartet seine Lieblingsfrau. Er war untröstlich und konnte ihren Tod kaum verwinden. Da soll ein Magier dem Kaiser versprochen haben, sie für kurze Zeit wieder zum Leben zu erwecken. Er spannte eine Leinwand, hängte dahinter eine Laterne auf und bat den Kaiser, davor Platz zu nehmen. Plötzlich erschien der Schatten einer jungen Frau, anmutig und schön, wie es einst seine Konkubine gewesen war. In China lag der Schwerpunkt der Geschichten zunächst auf historischen Themen. In der Ming-Zeit (1368–1644) nutzten Mönche das Schattenspiel zur Verbreitung des Buddhismus. In der Qing-Zeit (1644–1911) kamen neue Themen wie Gespenster-, Liebes- und Kriegsgeschichten zur Aufführung. Das Schattenspiel wurde zur «Oper des kleinen Mannes».

Als älteste Schauspielform des Landes bietet das indische Schattentheater Stoff für Aufführungen von Heldenepen und religiösen Themen aus der Sanskritliteratur. Eine indische Legende erzählt vom Fährmann Guha, der den Gott Rama traf, als dieser gerade im Begriff war, die irdische Welt zu verlassen. Voller Schreck fragte Guha den Gott Rama, was die Menschheit ohne seine Anwesenheit auf Erden tun solle. Da schenkte Rama dem Fährmann eine Schattenspielfigur, die sein Ebenbild war. Er ermunterte ihn, den Menschen mit seinen Heldengeschichten Unterhaltung und Trost zu bringen. Der rituelle Charakter des Schattenspiels fällt in Indien auf, wenn es zur Vertreibung böser Geister, zur Sicherung von Wohlstand und Fruchtbarkeit sowie zur Erlangung von Gesundheit und Wohlbefinden aufgeführt wird. Zusammen mit diesen rituellen Zwecken werden religiöse Botschaften sowie Vorstellungen über Sitte und Moral unterhaltsam verbreitet.

Der Ursprung des türkischen Schattentheaters ist nicht eindeutig geklärt. Eine Legende erzählt vom Sultan Orhan, der im 14. Jahrhundert in der damaligen osmanischen Hauptstadt Bursa lebte. Orhan gab den Bau einer Moschee in Auftrag. Zwei der Bauleute hiessen Karagöz und Hacivat. Da die beiden mit ihren Spässen und Prügeleien die Maurer unterhielten, verzögerte sich der Bau der Moschee. Dies erzürnte den Sultan so sehr, dass er Karagöz und
Hacivat hinrichten liess. Als er aber sah, wie sehr ihre Kameraden um sie trauerten, befahl er, die beiden Spassvögel als Pergamentfiguren auferstehen zu lassen. Das osmanische Reich war ein Vielvölkerstaat. Die Erzähltraditionen der Völker in ihren unterschiedlichen Religionen und Sprachen boten reichlich Stoff für das Theater. Mit Humor konnten gesellschaftliche und politische Tabus gebrochen und die Zensur umgangen werden.

Die Ausstellung wurde im Rahmen eines viersemestrigen Museumskurses unter der Leitung von Martin Brauen und Tina Wodiunig von sieben Studierenden der Ethnologie, Isabel Baier, Carmen Desax, Cédric Haindl, Iris Hartmann, Gabriela Karski, Vicky Pronk-Jansen und Marlène Stadler, konzipiert und realisiert.

Abbildung: Indische Figur / Gott Rama. Höhe: 98 x 67 cm, VMZ, Inv.-Nr. 13633, 70 bis 80 Jahre alt. Material: Ziegenleder, Naturfarben Südindien, wahrscheinlich Bundesstaat Karnataka; Quelle: Völkerkundemuseum der Universität Zürich

Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10 – 13, 14 – 17 Uhr, Samstag 14 - 17 Uhr, Sonntag 11 – 17 Uhr

Völkerkundemuseum der Universität Zürich,
Pelikanstrasse 40
CH - 8003 Zürich
T: 0041 (0)1 634 90 11

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