Samstag, 17. Januar 2009

Bestellter Tod

von Ingrid Jennert

Lörrach.- „Die Erlöser AG“ von Björn Kern ist beim Literaturwettbewerb um den Ingeborg Bachmannpreis 2007 in Klagenfurt spektakulär durchgefallen. Dafür bekam er den Brüder Grimm Preis 2007. Beim Publikum hat der Roman einen tiefen Eindruck hinterlassen. Nur wenige Stimmen fehlten später zum Publikumspreis, für den auch die Voten der Fernsehzuschauer zählen. Der damals 29-jährige Autor hatte sich nach der Diktion der Juroren „angemaßt“, in seinem Roman zu schildern, wie eine sterbende, an Alzheimer erkrankte alte Frau ihre letzten Minuten erlebt. Es geht um ein schon lange heiß diskutiertes Thema: Sterbehilfe. Am Donnerstag, 22. Januar 2009, liest Björn Kern um 20 Uhr in der Stadtbibliothek in Lörrach aus seinem Buch „Die Erlöser AG“ und noch unveröffentlichten Texten.
Björn Kern wurde 1978 im badischen Lörrach geboren. Er studierte in Tübingen, Passau und und Aix-en-Provence sowie ein Semester am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Derzeit lebt er in Südbaden.

Zum Inhalt: Elsa Lindström lebt im Berlin des Jahres 2050. Sterbehilfe ist unter engen Voraussetzungen straffrei. Als das Gesetz verkündet wird, fühlen sich der Leiter der Charité Hendrik Miller, und der weniger erfolgreiche Journalist Paul Kungebein berufen, eine Dienstleistungsagentur zu gründen, die das neue Gesetz umsetzt. Elsa Lindström ist die erste Kundin der Agentur Miller und Kungebein, die Tötung auf Verlangen anbietet.

In einer unsentimentalen und ausdrucksstarken Sprache schildert der junge Autor in einem Kapitel den Leidensweg der 97-jährigen, an Alzheimer erkrankten Frau, der sie von ihrer Einzimmerwohnung in das Berliner Altenheim führt, in dem der Professor ihr die Spritze setzt, beschreibt das Chaos ihrer Gedanken und Gefühle, das in ihren letzten lebenden Augenblicken in ihr tobt.

Gegenwärtig dreht sich die öffentliche Diskussion um eine begrenzte Freigabe der Sterbehilfe im Kreis. Für jede der kontroversen Meinungen gibt es gewichtige Gründe. Kern beteiligt sich nicht an dieser Diskussion, sondern geht in seinem Roman einen Schritt weiter. Er überwindet die bestehenden Tabus und schildert fiktiv, was eintreten würde, wenn. Der Leser erfährt etwas über die Charaktere der handelnden Akteure, über ihre inner- und außerfamiliären Konflikte und ob „Erlöser AGs“ zur Boombranche werden.

Kerns Buch ist spannend zu lesen und literarisch ein Genuss. Die übliche Pflegeproblematik samt Kostenfragen bleibt außen vor. Seine Sprache ist drastisch und trotz des Themas erfrischend. Dem Leser ist durchgängig im Bewusstsein: Hier schreibt ein junger Autor. Er hat Distanz zum Geschehen und wird nicht von eigenen Ängsten geplagt. Kerns Schilderungen sind dennoch kompetent und voller Empathie.

Die Klagenfurter Juroren hatten mit Kerns drastischen Schilderungen offenscitlich Probleme. Dabei hätten sie wissen können, dass Kern existenzielle Erfahrungen besitzt, die ihn sehr wohl zu einer Bearbeitung des schwierigen Themas befähigen. Die Bilder aus seiner Zivildienstzeit in einem psychiatrischen Altenheim in Südfrankreich seien heute noch in ihm präsent, sagte er einmal in einem Interview. Sie bestimmten bisher die Themen seiner Bücher.
Foto: Björn Kern;

Im März 2009 soll die "Erlöser AG" als Hörbuch erscheinen, vom Autor selbst gelesen.

"Die Erlöser AG
", Roman, 272 Seiten, C.H. Beck, Herbst 2007, 17,90 Euro
Im gleichen Verlag erschienen: Björn Kern „Einmal noch Marseille“, Roman, 128 Seiten,
3. Auflage 2009,12,90 Euro. Bei dtv erschien sein Erstlingswerk : Kipppunkt, 126 Seiten, Herbst 2001, 7,00 Euro

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