Dienstag, 10. März 2009

Wer ist Simon?

Freiburg.- Verdis Oper „Simon Boccanegra“ feiert am Großen Haus des Theaters Freiburg Premiere - und zwar am 15. März. Das Philharmonische Orchester Freiburg spielt unter der Leitung von Generalmusikdirektor Fabrice Bollon, Regie führt Marcus Lobbes.
Kaum eine Oper stellt die Identität der handelnden Personen so komplex in Frage wie Giuseppe Verdis "Simon Boccanegra", die Geschichte vom Freibeuter und ersten Dogen Genuas, der 1339 erstmals vom Volk gewählt wurde. Angelehnt an die historischen Vorgaben erzählt der italienische Komponist die Geschichte von der Machtübernahme und den politischen Verwicklungen über ein Vierteljahrhundert hinweg. Was auf politischer Ebene den Konflikt durch Intrigen zuspitzt, kulminiert im privaten Bereich zur wahren Tragik: Vater und Tochter, über viele Jahre zwangsweise getrennt, erkennen sich erst im Augenblick des Todes wieder. Machterhalt scheint also bedingungslos an die Aufgabe der eigenen Individualität gebunden zu sein.

Der historische Simon Boccanegra wurde 1339 vom Volk zum ersten Dogen von Genua gewählt. Er erweiterte das Staatsgebiet der Republik an der Riviera entlang und schickte Galeeren nach Spanien, um Alfons XI. in seinem Kampf gegen die Sarazenen beizustehen. Zahlreiche Attentate wurden auf ihn verübt, der erste Verschwörer schon im ersten Jahr seiner Regierung hingerichtet. Boccanegra war stets von einer 103 Mann starken berittenen Leibgarde umgeben, da er ständig um sein Leben fürchten musste. Am 23. Dezember 1345 wurde er auf einer von ihm selbst einberufenen Volksversammlung gezwungen, die Regierungsgeschäfte aufzugeben. Giovanni Valente fungierte danach elf Jahre lang als oberster Magistrat, bis Boccanegra 1356 wieder an die Macht gelangte. Er starb 1363 - vergiftet.

Als Vorlage nahm Verdi – wie schon beim "Troubadour" – ein Theaterstück von Antonio García Gutierrez, der die Ebene der politischen Macht bühnenwirksam mit dem privaten Leid einer unglückseligen Liebe zwischen Boccanegra und der Tochter seines Erzfeindes kombiniert. Trotzdem ist für ihn diese mittelalterliche Machtperson weit mehr als nur die Inspiration für ein großes Mantel-und-Degen-Spektakel. Verdi präsentiert uns eine Handlung, die sich aus den Bestandteilen der Historie assoziativ bedient und zu einer höchst eigenwilligen Operndramaturgie neu zusammenfügt.

Über fünfundzwanzig Jahre erstreckt sich der erzählte Zeitraum, wobei sich plötzliche Zeitsprünge mit extrem gedehnten, zeitlupenhaften Passagen abwechseln. Sein Lieblingsdiktum "die Wahrheit nachbilden mag gut sein, aber die Wahrheit erfinden ist besser, viel besser", macht Verdi hier zu einem zentralen Bestandteil des gesamten Stückes, das dem Handlungsverlauf eine eigene, verstörende Dynamik verleiht. Eine Wahrheit, die objektiv nicht hinterfragbar ist – und trotzdem eine große nachfühlbare Dimension hat. Was ruft Boccanegra am Ende des Prologs verzweifelt aus, als er nach seiner Wahl zum Dogen eigentlich auf dem Höhepunkt seiner Machtentfaltung ist? "Vai i fantasmi... È sogno, sì spaventoso, atroce sogno il mio. – Fort mit den Schreckgespenstern... Es ist ein Traum, ja, mein furchtbarer, schrecklicher Traum." Das Geschehen, wie mit einem Brennglas auf die Titelfigur fokussiert, scheint ihr also zum Alptraum zu werden – angestoßen von einer Realität, die zunehmend unsicher, verängstigend, bedrängend wird und Bewusstseinsebenen verschiebt – bis am Ende der Tod die Erlösung bringt.
Verdi präsentiert uns hier – zumal in seiner späten, noch einmal intensiv überarbeiteten Fassung von 1881 – einen Blick in eine menschliche Psyche, deren faktische Biographie im 14. Jahrhundert verortet sein mag, deren künstlerische Formulierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stattgefunden, deren Emotionalität aber auch im 21. Jahrhundert nichts an ihrer Intensität verloren hat.

Regisseur von "Simon Boccanegra" ist Marcus Lobbes, der in der letzten Spielzeit Pendereckis "Die Teufel von Loudun" und Felicia Zellers "Kaspar. Häuser. Meer" am Theater Freiburg inszenierte. Letzteres wurde zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen und dort mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. In der Fachzeitschrift "Theater heute" wurde Marcus Lobbes als Nachwuchsregisseur des Jahres 2008 nominiert.
In Kürze

SIMON BOCCANEGRA

Oper in einem Prolog und drei Akten von Giuseppe Verdi
Libretto von Francesco Maria Piave und Arrigo Boito
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Premiere: Sonntag, 15. März 2009, 19.30 Uhr, Großes Haus

Weitere Vorstellungen im Großen Haus:

Mi 25.03.09 19.30 Uhr
Fr 03.04.09 19.30 Uhr
So 05.04.09 19.30 Uhr
Mo 13.04.09 19.30 Uhr
So 19.04.09 15.00 Uhr
Fr 24.04.09 19.30 Uhr
Do 30.04.09 19.30 Uhr

Vorstellungen für Mai und Juni sind in Planung

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