Dienstag, 8. September 2009

Verschiedene Wahrheiten

Basel.- Mme Butterfly wird erneut schnöde verlassen - und das zu Puccinis wunderbarer Musik. Um die Wahrheit geht es in einem "Voralpen-Heldenstoff", dazu noch eine Uraufführung am Theater Basel. Sie lernen PeterLichts "Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausends" kennen, auch eine Uraufführung; dazu Ionescos "Kahle Sängerin" sowie eine weitere, in diesem Fall musikalische Uhraufführung: "Drei Frauen." Kurz gesagt, das Theater Basel meldet sich aus der Sommerpause zurück.

Bleiben wir zunächst bei den Uraufführungen: "Ertragen muss man, was der Himmel sendet." Oder: "Ein wahrer Schütze hilft sich selbst." Sagte Wilhelm Tell. 250 Jahre später kommt es nun aus neuem Munde. Oder aus neuer Feder, nämlich der von Marcel Luxinger und unter dem Titel Tell the truth. Aber braucht die Schweiz überhaupt einen neuen Helden? Und wer ist eigentlich Stella von Wille? Wer steckt hinter ihr? Ist ihr visionäres Programm der Weg zurück in ein verlorenes Paradies? Fragen über Fragen, die unter den Nägeln brennen, wenn aus dem Nichts eine mysteriöse Frau auftaucht und die Politik durcheinander wirbelt. Ausgerechnet in einem Land, das sich bisher durch seine Stabilität ausgezeichnet hat. Doch ob Stella von Wille in Wirklichkeit die ist, die sie zu sein vorgibt, oder ob es nicht viel eher ihr Publikum ist, das sie zu jener Figur macht – das muss jeder für sich beantworten. Das Theater Basel hat den jungen Schweizer Autor Marcel Luxinger gebeten, einen grossen Mythos in die Gegenwart fortzuschreiben. Wie geht man um mit einem Stück Heimat?

Nach seinem Bestseller "Wir werden siegen! Buch vom Ende des Kapitalismus" legt PeterLicht seinen ersten längeren Prosa-Text vor. Es ist die Geschichte eines Sofas und seines Besitzers. Das Sofa ist nahezu perfekt. Dem Besitzer geht es gut. Er hat Geld. Er ist gesund. Er hat eine Frau, die er über alles liebt. Und ja, die Sonne scheint. Doch irgendetwas stimmt nicht. Dem Sofa fehlt ein Bein. Die Welt gerät ins Schlingern, das kosmische Grauen bleckt die Zähne … PeterLicht, Liedermacher, Künstler, Philosoph an der Schnittstelle von Text und Musik, Pop und Gesellschaftskritik, gewann 2007 beim Bachmann-Wettbewerb mit den "Geschichte meiner Einschätzung" den 3sat- und den Publikumspreis. Doch weiterhin verwehrt er Kameras den Zugriff auf seine Person. Das Theater Basel stellt den in der Schweiz noch weniger bekannten Künstler und dessen ebenso eigenwillig-heitere wie schmerzhaft-scharfsichtige Weltbeschreibungen erstmalig einem grösseren Publikum vor. PeterLicht gibt außerdem ein Konzert "Melancholie und Gesellschaft" anlässlich seiner Premiere und zwar am 13.9.2009, 20.15 Uhr — Kleine Bühne.PeterLicht, Pop-Poet, Philosoph und Liedermacher ist in Deutschland längst zur Kultfigur geworden. Und doch sind seine Konzerte nach wie vor ein Geheimtipp, weil er es geschafft hat, sich dem gewöhnlichen Medienrummel zu entziehen, seine Auftritte einzuschränken und überraschend und anders zu bleiben.

Komponist Wolfgang Rihm lässt in Form eines Musiktheaters drei Frauen monologisch zu Wort kommen: In ihrem Schicksal sind sie verbunden durch das Spannungsfeld aus Liebesglück und tiefer Verzweiflung, aus Opfer und Selbstopfer, aus Sehnsucht, Tod und Liebestod. Da ist zum einen die verlassene Ariadne, die ihre Einsamkeit beklagt und die Rückkehr von Gott Dionysos fordert. Da ist Anita, eine Frau aus Deutschland, die in der Nacht des Mauerfalls einen Adler liebt, ihn aus seinem Gehege befreit und am Ende resigniert ermordet, weil er sowohl die Freiheit als auch sie verschmäht. Und da ist Penthesilea, die Amazonenkönigin, die ihren Geliebten Achill in Stücke reisst, weil sie sich von ihm betrogen fühlt und nach der Erkenntnis ihres Irrtums sich selbst den Tod ersehnt. Georges Delnon wird ihren Geschichten eine szenische Plattform geben.

Wenn sich das Theater des Absurden bedient, - wie in Die kahle Sängerin von Eugène Ionesco - hat es die wunderbare Möglichkeit, die üblichen Bedeutungsebenen und Sinnstiftungen ausser Kraft zu setzen und die Realität, wie sie uns üblicherweise umgibt, ins Komische zu überführen. Es sitzen Mr. und Mrs. Smith in ihrem englischen Salon und üben sich in englischer Abendunterhaltung. Auf keine unpassende Frage die falsche Antwort. Das Dienstmädchen Mary meldet ihrer Herrschaft Gäste, die lange schon warten und dennoch zu spät sind. Betreten Mr. und Mrs. Martin die Bühne und kennen sich nicht mehr. Schliesslich kommt noch ein Feuerwehrhauptmann dazu, der Feuer sucht. Mit seinen Geschichten liefert er neuen Zündstoff, Mary wirft sich ihm an den Hals – bis sich die Runde in einem grossen Finale sprachlich völlig verausgabt. Mit diesem Stück erschuf Eugène Ionesco 1950 die Gegenwelt des absurden Theaters, mit der er das Boulevardtheater kritisieren wollte. Das Verrückte ist, dass diese Kritik selbst zu einem Boulevardstück geworden ist. Werner Düggelin, profunder Kenner der französischen Dramatik Jahrhunderts, inszeniert den Klassiker des absurden Theaters.


Die Premieren

Madama Butterfly
Tragedia giapponese in drei Akten von Giacomo Puccini
Text von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Musikalische Leitung: Enrico Delamboye
Inszenierung: Jetske Mijnssen
Bühne: Paul Zoller
Kostüme: Arien de Vries
Chor: Henryk Polus
Dramaturgie: Brigitte Heusinger

Mit: Jeanine de Bique, Svetlana Ignatovich, Valentina Kutzerova, Maxim Aksenov/Richard Troxell, Karl-Heinz Brandt, Eugene Chan, Eung Kwang Lee, Andrew Murphy u.a., dem Chor des Theater Basel und dem Sinfonieorchester Basel

Premiere am 10. September 2009, 20.00 Uhr — Grosse Bühne
Weitere Termine: So 13.9., 19.00 Uhr, Sa 19.9., Do 24.9., Mo 28.9. jeweils um 20.00 Uhr



Tell the truth
Ein Voralpen-Heldenstoff
von Marcel Luxinger
Uraufführung

Regie: Ronny Jakubaschk
Bühne: Tom Musch
Kostüme: Friederike Donath/Eva Swoboda
Video: Peer Engelbracht/Sebastian Pircher
Musik: Johannes Hofmann
Dramaturgie: Martin Wigger

Mit: Hanna Eichel, Dirk Glodde, Claudia Jahn, Benjamin Kempf, Katka Kurze, Barbara Lotzmann, Lorenz Nufer

Premiere am 11. September 2009, 20.00 Uhr — Schauspielhaus
Weitere Termine: Mo 14.9., Di 15.9., Fr 18.9., Sa 19.9., Fr 25.9., jeweils um 20.00 Uhr
So 27.9. um 19.00 Uhr



Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausends
Ein Abend mit Texten und Liedern von PeterLicht
Uraufführung

Regie: Florentine Klepper
Musikalische Leitung: Tobias Hofmann
Bühne und Kostüme: Chalune Seiberth
Dramaturgie: Julie Paucker
Mit: Andrea Bettini, Carina Braunschmidt, Tobias Hofmann, Inga Eickemeier, Pascal Lalo, Isabelle Menke, Florian Müller-Morungen, Jannek Petri
Premiere am 18. September 2009, 20.15 Uhr — Kleine Bühne
Weitere Termine: Di 22.9., Do 24.9., Fr 25.9., Mi 30.9., jeweils um 20.15 Uhr


Die kahle Sängerin
von Eugène Ionesco
Regie: Werner Düggelin
Bühne: Raimund Bauer

Kostüme: Sara Kittelmann
Dramaturgie: Martina Grohmann

Mit: Katharina von Bock, Bastian Heidenreich, Marie Jung, Vincent Leittersdorf, Jörg Schröder, Nikola Weisse
Premiere am 24. September 2009, 20.00 Uhr — Schauspielhaus
Weitere Termine: Sa 26.9., Mo 28.9., Mi 30.9., jeweils um 20.00 Uhr



Drei Frauen
Musiktheater in drei Teilen von Wolfgang Rihm
Uraufführung

1. Teil "Aria/Ariadne" (2002),
Szenarie nach Friedrich Nietzsches "Die Klage der Ariadne"

2. Teil "Das Gehege" (2006),
Monodram nach der Schlussszene aus Botho Strauss’ "Schlusschor"

3. Teil "Penthesilea-Monolog" (2005),
nach dem Schlussmonolog in Heinrich von Kleists "Penthesilea"

In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Produktion in Zusammenarbeit mit dem Festival Musica Strasbourg
Musikalische Leitung: André de Ridder
Inszenierung: Georges Delnon
Bühne: Roland Aeschlimann
Kostüme: Marie-Thérèse Jossen
Dramaturgie: Ute Vollmar

Mit: Yeree Suh, Rayanne Dupuis, Renate Behle, Rolf Romei
und dem Sinfonieorchester Basel
Premiere am 25. September 2009, 20.00 Uhr — Grosse Bühne
Weitere Termine: So 27.9., 18.00 Uhr, Di 29.9., 20.00 Uhr


Öffnungszeiten und Informationen:
Billettkasse: Telefon +41/(0)61-295 11 33
Öffnungszeiten der Billettkasse beim Theaterplatz:
Montag - Freitag: 10 - 13 Uhr und 15.30 - 18.45 Uhr
Samstag: 10 - 18.45 Uhr
Tel. Vorverkauf und Reservierungen unter Telefon +41/(0)61-295 11 33
Montag - Samstag: 10.00-18.45 Uhr
Theater Basel, Postfach, CH-4010 Basel
Die Spielorte:
Grosse Bühne, Kleine Bühne, Nachtcafé, Theaterstrasse 7, 4051 Basel
Schauspielhaus, Steinentorstrasse 7, 4051 Basel
www.theater-basel.ch

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