Sonntag, 25. Oktober 2009

Big Brother Awards Schweiz: Der "DIENST" ist immer dabei

Zürich.- Auch in der Schweiz sind in der Roten Fabrik in Zürich am Samstag die Großen Brüder, also jene, die der Idee des Überwachungsstaates am besten dienen, mit ihren Oscars bedacht worden. Es war die zehnte Verleihung der Schweizer Big Brother Awards. Mit diesen satirischen "Preisen, die keiner will" zeichnet ein Organisationskomitee jedes Jahr die schwerwiegendsten Datenschutzverletzungen aus. Die Sieger 2009: Dienst "Ueberwachung Post- und Fernmeldeverkehr" (UePF) (Staats-Award); Swisscom (Business-Award); Berufsbildungsschule Winterthur (Arbeitsplatz-Award); Deltavista (Lebenswerk-Award); den Publikumspreis *gegen* Ueberwachung und Kontrolle bekam die Genfer Studentengewerkschaft CUAE. Die Nominierung der Preisträger erfolgte durch die Oeffentlichkeit. Bis Ende August gingen beim Organisationskomitee ueber 70 Vorschläge ein.

Eine Auswahl der Kandidaten wurde einer unabhängigen Jury vorgelegt. Ihr gehoeren acht Personen an, die sich in verschiedenen Organisationen, Institutionen oder Medien gegen Ueberwachung und Kontrolle engagieren. Der feierliche inszenierte Anlass wurde moderiert vom Schauspieler Ernst Jenni, der die bisweilen zynische Laudatio auf die Sieger verlas. (siehe Bild)

Kategorie Staat

Der erste Preis in der Kategorie STAAT ging an den "Dienst für die Ueberwachung des Post und Fernmeldeverkehrs" (kurz DER DIENST), vertreten durch deren Leiter, Herrn Rene Koch.

DER DIENST löste vor zwei Jahren den "Dienst für besondere Aufgaben" DBA ab, welcher seinerseits bereits mehrmals für einen Big Brother Award nominiert wurde und vor sieben Jahren eine Auszeichnung in der Kategorie KOMMUNIKATION erhielt.

Das Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BUePF) verpflichtet alle Telekommunikationsfirmen und Internetprovider der Schweiz dazu, die Verbindungsdaten ihrer Kundschaft waehrend SECHS Monaten zu speichern. Also: Wer schickt wem E-Mails? Wer ruft wen an? Bei Mobiltelefonen auch: Von welchem geografischen Standort aus? Auf richterliche Anordnung erlaubt das BUePF dem DIENST zudem, den Telekommunikationsanbietern Aufträge zur Speicherung der INHALTE von Telefongesprächen oder E-Mails zu erteilen.

DER DIENST will nun aber noch mehr: nämlich - Zitat: "Die Echtzeit-Überwachung der kompletten Kommunikation des Breitband-Internetanschlusses". Dies umfasst alle aufgerufenen Internetseiten, die Kommunkation per E-Mail, die Aktivitäten in Chats und Internetforen, die Kommunkation mittels Skype und anderen Voice-over-IP-Diensten.

In einer Blitzaktion verpflichtete DER DIENST alle Internet Service Provider der Schweiz, ab dem 1. August 2009 und bis spätestens Ende Juni 2010 sich beim DIENST zertifizieren lassen und entsprechende Schnittstellen für "Direktschaltungen" bereitzustellen - auf eigene Kosten.
DER DIENST wird somit fortan in Echtzeit Zugang zu allen Daten haben, die einen Computer über das Internet verlassen oder in ihn hineinfliessen.


Kategorie Business

Beinahe die Hälfte der Kandidaten stellten sich dem Wettbewerb um einen Business-Award. Siegerin in dieser Kategorie wurde die Swisscom (Nr. 5614). Die von Swisscom-Kunden zum Internetzugriff benötigten VDSL- und neueren ADSL-Router werden über ein Swisscom-Web-Portal konfiguriert. Die persönlichen Einstellungen wie z.B. das Passwort fuer den drahtlosen Internetzugriff WLAN werden also bei Swisscom gespeichert und von dort an den Router geschickt. Dies bedeutet also, dass Swisscom-Mitarbeiter und nach einem gerichtlichen Beschluss auch polizeiliche Behörden Zugriff auf den Router und den internen Netzwerkverkehr der Swisscom-Kunden haben.


Kategorie Arbeitsplatz

In der Kategorie "Arbeitsplatz" siegte die Berufsbildungsschule Winterthur (Nr.5598), vertreten durch ihren Rektor Erich Stutz, fuer ihren Aufruf zum Denunzieren. Die Schule forderte die Nachbarn dazu auf, von ihren Fenstern und Balkonen aus Fotos der Schueler zu machen, welche Abfall auf den Boden warfen oder heimlich auf dem Schulgelände kifften.

Kategorie Lebenswerk

Der begehrte "Lebenswerk-Award" für besonders hartnaeckige Verletzungen der Grundrechte ging dieses Jahr an Firma Deltavista in Kuesnacht, vertreten durch den CEO, Herrn Thomas Staempfli. Als Marktführer, stellvertretend für etliche Unternehmen, die in diesem Business tätig sind und kommerziell private (Kunden-) Daten sammeln.

Publikumspreis fuer lobenswerten Widerstand gegen Ueberwachung und Kontrolle

Im Gegensatz zu diesen vier Negativpreisen wird mit diesem Preis eine Person oder Institution ausgezeichnet, die sich in lobenswerter Weise *gegen* zunehmende Überwachung und Kontrolle zur Wehr setzte. Das ist in diesem Jahr die Genfer Studentengewerkschaft CUAE fuer ihren Einsatz gegen fremdenpolizeiliche Kontrollen der ausländischen Studenten. Zweiter und dritter Sieger waren die Interessengemeinschaft "Polizeireglement Nein" aus Visp und der Informatiker Ruben Unteregger mit seiner Webseite <http://www.megapanzer.com>.

Links

Am Rande der Preisverleihung erklaerten die Organisatoren die Ausschreibung fuer die "Big Brother Awards 2010" fuer eroeffnet (Formulare sind auch online erhältlich). Eine Übersicht der Kandidaten ist hier zu finden: http://www.bigbrotherawards.ch/2009/nomination/nominees/
http://www.bigbrotherawards.ch/2009/event/
http://www.bigbrotherawards.org (international)
http://www.grundrechte.ch (Verein grundrechte.ch)
http://www.siug.ch (Swiss Internet User Group)

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