Basel.- Die meisten Passantinnen und Passanten gingen nichtsahnend an der Baustelle für die Verlängerung der Tramlinie 8 nach Weil am Rhein in der Kleinhüningeranlage vorbei. Dabei waren dort im Sommer neben den Bauleuten auch Archäologen an der Arbeit.Unter der Kleinhüninger Anlage stießen sie gleich auf mehrere Gräber aus alamannischer Zeit.
Auf vielen Basler Baustellen sind neben den Bauarbeitern auch Archäologen am Werk. Die archäologische Bodenforschung des Kantons Basel- Stadt suchte wie üblich in den Gräben nach Spuren der Kleinhüninger Geschichte - und fanden damm beinahe täglich neue alamannische Gräber. Wirklich Überraschend kam das nicht. Die Existenz des alamannischen Gräberfeldes aus der Zeit von 450 bis 700 nach Christus ist schon länger bekannt. In 262 Gräbern wurden bereits früher 275 Bestattungen nachgewiesen, darunter auch zwei Pferdebestattungen. Die Fachleute gehen aber von einer Gesamtzahl von 600 bis 650 Bestattungen aus.
Ein Höhepunkt der jetzigen Ausgrabungen: Im Grab Nr. 286 entdeckten die Archäologen ein Skelett und in der Wand der Baugrube einen völlig intakten Topf, der Tierknochen enthält, von denen einer eine Schlachtspur aufweist. Wie kommen diese Tierknochen in ein Menschengrab? Für den leitenden Archäologen Christoph Matt ein klarer Fall: Diesem Verstorbenen wurde Wegzehrung für die Reise ins Jenseits mitgegeben.
Die Alamannen beerdigten ihre Toten in ihrer standesgemässen Kleidung und mit voller Ausstattung, um ihnen im Jenseits ein Weiterleben in der gleichen gesellschaftlichen Stellung zu ermöglichen, die sie im Diesseits innehatten. Anhand aufgefundener Schnallen und anderer Metallteile können die Trachten der Verstorbenen rekonstruiert und Rückschlüsse auf deren sozialen Status gezogen werden.
Nicht selten jedoch fehlen diese Metallteile, weil schon vor langer Zeit Grabräuber am Werk waren. Es war eine Zeit des Umbruchs, in der um 420–440 n. Chr. die alamannische Siedlung in Kleinhüningen entstand. Eine zurückgebliebene keltisch-romanische Bevölkerung bewohnte den Münsterhügel, als sich die zugewanderten alamannischen Sippen am linken Rheinufer niederließen, wahrscheinlich im Bereich der heutigen Kleinhüninger Kirche. Sie taten dies möglicherweise in römischem Auftrag, um nach dem Abzug der römischen Garnisonen die Nordgrenze des verfallenden Imperiums zu bewachen. Der Bischof residierte damals noch nicht in Basel, sondern in Augusta Raurica.
Im Verlauf der kommenden 250 Jahre sollten sich diese Bevölkerungen vermischen, der Bischof seinen Sitz nach Basel verlegen, das Christentum als dominante Religion sich allmählich durchsetzen und das Alamannische das Latein als Umgangssprache ablösen. Die Aufgabe des alten, heidnischen Friedhofs um 700 könnte im Zusammenhang mit der Christianisierung der dort lebenden Bevölkerung stehen.
Wanderbewegungen prägten die Zeit und trugen zur generellen Unsicherheit bei. Einen Hinweis auf diese Migration und auf enge persönliche Kontakte zu den Merowingern in Böhmen und Thüringen geben beispielsweise drei deformierte Schädel, die im Gräberfeld von Kleinhüningen gefunden wurden. Dabei handelte es sich um eine heute bizarr anmutende Praxis, bei der die noch weichen, verformbaren Schädel der Babys mit Bandagen fest eingeschnürt wurden, um so eine ausgeprägt längliche Kopfform zu erlangen, entsprechend einem Schönheitsideal der damaligen Zeit.
An solchen Befunden wird deutlich, dass wir es hier mit einer Kultur zu tun haben, die uns noch sehr fremd ist. Umso wichtiger für die Erforschung dieser alamannischen Siedlung werden archäologische Untersuchungsmethoden. So erhofft man sich Erkenntnisse über die Verwandtschaftsverhältnisse, indem die DNA aus den Zähnen der Bestatteten analysiert wird. Mit konventionellen Methoden ließen sich bereits fünf Grabbezirke unterscheiden, die auf einen Weiler mit mindestens fünf Gehöften schließen lassen. Die Archäologen rechnen noch mit vielen weiteren interessanter Funde.
Link: www.archaeobasel.ch
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