Mittwoch, 17. November 2010

Das Gurs-Projekt



Freiburg/Baden.- Am 22. Oktober 2010 jährte sich zum siebzigsten Mal die Deportation von Juden aus Baden nach nach Gurs in Südfrankreich. Aus diesem Anlass haben Jugendliche und ihre Lehrenden sich im Austausch mit Überlebenden dieser Deportation und des Lagers in Gurs - mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die damals selbst Kinder oder Jugendliche waren - einen Beitrag zu dieser Ausstellung erarbeitet - das Freiburger Gurs-Projekt. Die Ausstellung in der Katholischen Akademie Freiburg (bis 22. Dezember), die Vorträge und das Angebot an Begegnungen mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen eröffnen allen Interessierten die Chance, sich anhand von Bildern, Texten und Berichten »aus erster Hand« ein eigenes Bild der Auswirkungen von staatlichem Rassismus und Antisemitismus zu machen.Am kommenden Sonntag, dem 21. November 2010, 17.00 Uhr, wird in der Katholischen Akademie im Rahmen eines Konzertprogramms die Komposition „In Memoriam“ von Allan Blank mit einem Ensemble der Musikschule Freiburg unter der Leitung von Iain Semple uraufgeführt. Blank ist Witwer einer Gurs-Überlebenden.

Mit zahllosen Repressalien, antisemitischen und rassistischen Gesetzen, Verordnungen und Terroraktionen waren die Nazis von Anfang an in ganz Deutschland gegen die Bürger jüdischen Glaubens vorgegangen. Systematisch wollten sie deren wirtschaftliche Existenz ruinieren und sie zu Emigration und Flucht zwingen. Sie organisierten den Boykott »jüdischer« Geschäfte, Praxen und Betriebe bereits am 1. April 1933. Sie »entfernten« die jüdischen Beamten aus Staatsdienst, Universitäten und Stadtverwaltungen. Sie erließen Hunderte von Verordnungen und Verbote zu nahezu allen Fragen des alltäglichen Lebens. Dazu kamen die Aberkennung der Staatsbürgerrechte durch die »Nürnberger Gesetze« 1935, die »Rassentrennung« in den Schulen 1936, die Zwangsarisierung aller »jüdischen« Gewerbebetriebe 1938, das Berufsverbot für Rechtsanwälte, Ärzte und alle Selbständigen in Handel und Handwerk 1939 …

In ganz Baden ließen die Nazis vor 70 Jahren die Menschen jüdischen Glaubens verhaften. Wer bis dahin nicht emigriert war, wurde am 22. Oktober 1940 im Rahmen der unter großer Geheimhaltung vorbereiteten Wagner-Bürckel-Aktion zwangsweise außer Landes gebracht und in Gurs und in den Lagern Rivesaltes, Noé, St. Cyprien, Récébédou und Les Milles in Südfrankreich unter erbärmlichen Lebensbedingungen interniert. Nur wenigen Menschen gelang es damals, sich der Inhaftierung zu entziehen.

Für die 6.504 Deportierten war das Lager Gurs eine Zwischenstation: Die meisten wurden ab Sommer 1942 in die Vernichtungslager im Osten verschleppt. Wenigen gelang vorher die Flucht, viele starben aufgrund der unerträglichen Bedingungen des Lagerlebens bereits im ersten Winter. Eine Anzahl Kinder wurde von Hilfsorganisationen gerettet. So können auch heute noch ZeitzeugInnen von der Deportation, dem Lager Gurs und ihrer Rettung berichten.

"In Memoriam"erfährt jetzt in Freiburg im Rahmen des Gurs-Projektes eine Uraufführung mit einem Ensemble der Musikschule Freiburg unter der Leitung von Iain Semple. Zudem ist ein Konzert-Programm zusammen gestellt worden, das die Themen Verfolgung und Gewalt, Trauer sowie jüdisches Liedgut behandelt. Es werden u.a. Werke von Serge Prokofiev (Ouvertüre über hebräische Themen), Max Bruch (Kol Nidrei), Olivier Messiaen (Das Quartett für das Ende der Zeit) und Paul Hindemith (Trauermusik) aufgeführt.

Das Werk hat einen direkten Bezug zum Gurs-Projekt, das derzeit in der Katholischen Akademie nicht nur mit einer besonderen Ausstellung, sondern auch mit der Möglichkeit der letzten Zeitzeugenbegegnungen viele Schulklassen und andere Besucher anzieht.Der Komponist Musikprofessor a.D. der Universität Richmond/USA Allan Blank ist der Witwer der Gurs-Überlebenden Margot Dreyfuss-Blank aus Schmieheim, die vor der Deportation die Zwangsschule für jüdische Kinder in Freiburg besuchen musste. Beide Eltern hat sie im Holocaust verloren. Als Künstlerin hat sie an der Seite ihres Mannes zu einem erfüllten Leben zurück gefunden.

Bevor sie 2005 einem Krebsleiden erlag, hatte sie einen innigen Briefkontakt mit der Geschichtswerkstatt der Lessing-Realschule. Als Frau Dienst-Demuth, Leiterin der Geschichtswerkstatt und Mitinitiatorin des Gurs-Projekts, bei dem Komponisten nach einem musikalischen Beitrag anfragte, stellte dieser sofort seine schon fertige Komposition zur Verfügung.

Hier die weiteren Zeitzeugen-Begegnungen, zu denen im Rahmen unseres Ausstellungsprojekts noch Eva Cohn-Mendelsson (18./19.11.), Dorothea Siegler-Wiegand (22./23.11.), Helmut Schwarz (25./26.11.), Margot Wicki-Schwarzschild (29./30.11.), Ernst Rapp (2.12.) und Paul Niedermann (6./7.12.) in der Katholischen Akademie erwartet werden.

Informationen zu diesen und weiteren Veranstaltungen erhalten Sie auf der Webseite www.gurs-projekt.de


Das Gurs-Projekt
Freiburg, Kath. Akademie, Wintererstr. 1

Dauer der Ausstellung:
21. Oktober 2010 – 22. Dezember 2010
Öffnungszeiten:
• Mo bis Do 8.30 bis 18.15 Uhr
• Freitags 8.30 bis 15.30 Uhr

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