Pwo-Maske. Chokwe; Angola, um 1820. Holz, Fasern, Metall, 26 x 16.5 x 26 cm; Privatsammlung. © privat |
Die Ausstellung und der begleitende Katalog wollen die Darstellung des Individuellen ergründen und legen damit einen Meilenstein in der Erforschung der Kunst Afrikas. Das Heranführen an die sorgfältige und detailgenaue Ausarbeitung der Skulpturen und den Kontext ihrer Entstehung ermöglicht den Betrachterinnen und Betrachtern einen neuen Blick auf Kunstwerke, die charakterstarke Persönlichkeiten bzw. das Individuum in der afrikanischen Kultur zum Ausdruck bringen.
Die vom Metropolitan Museum of Art, New York, konzipierte und vom Museum Rietberg neu inszenierte Schau präsentiert Skulpturen von Herrschern und weiteren prägenden Persönlichkeiten aus vorkolonialer Zeit. Sie macht deutlich, dass Naturalismus keineswegs eine exklusiv europäische Erfindung war. Mit Attributen wie Insignien, Schmucknarben oder kunstvollen Frisuren näherten sich die Künstler dem idealen Abbild einer gefeierten Würdenträgerin oder eines grossen Jägers, deren Andenken von den Bewohnern in den Gemeinschaften hochgehalten wurde. Viele dieser Ahnenbilder spielten bei Übergangsritualen, wie etwa in der Thronfolge, eine zentrale Rolle und waren mitverantwortlich für eine konfliktfreie Machtübergabe. Die Ankunft der Europäer als Händler und später als Kolonisatoren führte dazu, dass viele dieser Darstellungen aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen wurden und in westliche Sammlungen gelangten. Erst in den letzten Jahrzehnten wurden die afrikanischen Personendarstellungen als zeitlose Kunsterzeugnisse erkannt und bewundert.
Um die globale und zeitlose Darstellung dieser Persönlichkeiten zu betonen, begegnen wir im Eingangsbereich der Ausstellung dem Standbild eines vornehmen Beamtenpaares aus einer altägyptischen Grabkammer, Abbildern von römischen Kaisern sowie Porträts von Edo-Königen aus der Stadt Benin. Diese Gegenüberstellung macht deutlich: Das idealisierte Bild dieser bedeutender Persönlichkeiten wird in der klassischen Antike und in der höfischen afrikanischen Kunst gleichermassen zelebriert. Den Auftakt der eigentlichen Ausstellung bestreitet die frühe höfische Yoruba-Kunst in der Stadt Ife (12.–15. Jahrhundert). Die in Terrakotta und Bronze geschaffenen Werke zeigen Porträts von Fürsten und Königsmüttern in idealisiertem Naturalismus. Ab dem 15. Jahrhundert werden die benachbarten Edo am Hofe von Benin diese Porträt-Kunst für ihre Könige übernehmen, wobei das menschschliche Abbild einen strengeren, stärker stilisierten Ausdruck gewinnt. Auch hier dominieren Werke aus Ton, Elfenbein und Gelbguss – Materialien, die im Gegensatz zu Skulpturen aus Holz die Jahrhunderte fast schadlos überdauert haben.
Es folgt ein Einblick in die Vielfalt der traditionellen Terrakotta-Köpfe und -Figuren der Akan-Region, die seit dem frühen 17. Jahrhundert im südlichen Ghana und an der Elfenbeinküste auf Gräbern weit verbreitet waren. Frühe Fotografien von Missionaren zeigen diese Gedenkstätten mit ihren Ahnengalerien aufs Eindrücklichste. Den Schwerpunkt der Ausstellung bilden grandiose Holzskulpturen. Dazu gehören die Bildwerke der Hemba, die wohl zu den imposantesten afrikanischen Heroen gehören: Die Meisterschnitzer aus der zentralen Kongo-Region schufen zu Ehren der Hemba-Chiefs kraftvolle Skulpturen von atemberaubender Eleganz. Mit dieser Verewigung eines Klanchiefs wurde die Kontinuität der Grossfamilie sichergestellt. Die Verbindung zwischen den Generationen betont der stark akzentuierte Bauchnabel, während der mächtige Kopf Sitz von Identität und individueller Kreativität ist.
In einem weiteren Raum werden monumentale Skulpturen aus zwei Regionen des Kameruner Graslandes vorgestellt: Lokale Könige liessen sich häufig noch zu Lebzeiten von bedeutenden Bildhauern verewigen, im Wissen, dass ihre Abbilder später bei grossen Erinnerungsfeiern vor dem Königspalast in der Ahnengalerie dem Volk gezeigt würden. Frühe ethnographische Film- und Fotodokumente verdeutlichen eindrücklich den Kontext, in welchem diese Figuren dienten. Zu den Höhepunkten der Ausstellung zählen Gedenkfiguren, die der Erinnerung verstorbener Könige und Königsmütter dienten. An den Königshöfen des Bangwa-Gebietes entstanden kraftvolle und vitale Formen, die in der afrikanischen Kunst einzigartig sind. Ungewöhnlich an diesen Figuren ist ihre raumgreifende Bewegtheit, die die in der afrikanischen Kunst sonst übliche statische Strenge durchbricht. Der letzte Teil der Ausstellung ist den Fürstenbildern der Kongo-Region gewidmet. Im frühen 19. Jahrhundert waren die benachbarten Chokwe, Luluwa und Kuba durch Handelsbeziehungen miteinander verbunden. Die drei Ethnien feierten ihre Staatengründer und mythischen Könige mit Skulpturen, die in Schreinen ausgestellt waren und die regelmässig in Opferzeremonien geehrt wurde.
Die Mehrzahl der über 100 Exponate – aus Museen und Privatsammlungen in Europa und den USA – ist zum ersten Mal in der Schweiz zu sehen. Die hohe Qualität und Ästhetik der Auswahl sowie den umfassenden Katalog, der die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse mit einbezieht, verantwortet Alisa LaGamma, Kuratorin für die Kunst Afrikas, Ozeaniens und Amerikas im Metropolitan Museum of Art in New York. Ansichtskarten, entstanden vor über 100 Jahren, und ein Film über die Inthronisation eines Königs in Kamerun begleiten die Besucher durch die Schau. Wenn auch viele Einzelheiten der Lebensgeschichten und Biografien dieser «Helden» verborgen bleiben: Das künstlerische Vermächtnis bezeugt die Bedeutung dieser Menschen, denen mit diesen Werken Anerkennung gezollt wurde.
ur Ausstellung erscheint ein reich illustrierter Katalog von Alisa LaGamma herausgegeben vom Museum Rietberg Zürich, Verlag Scheidegger & Spiess. Gebunden mit Schutzumschlag, ca. 308 Seiten mit 226 farbigen und 62 s/w Abbildungen, 21,6 x 29,2 cm; ISBN 978-3-85881-348-0, ca. CHF 59.-
Öffnungszeiten: Di bis So 10 – 17 Uhr, Mi und Do 10 – 20 Uhr, Montag geschlossen
Helden – Ein neuer Blick auf die Kunst Afrikas
26. Februar bis 3. Juni 2012
Museum Rietberg
Gablerstrasse 15
CH - 8002 Zürich
0041 (0)44 206 31 31
0041 (0)44 206 31 32
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