Freitag, 15. Juni 2012

Die Restauratoren im Restaurierungsatelier vor Henri Matisse’ Acanthes, 1953, Kohle, ausgeschnittene Papiere, mit Gouache bemalt, auf Papier auf Leinwand, 311 x 350,5 cm, Fondation Beyeler, Riehen / Basel, © 2012 Succession Henri Matisse / ProLitteris, Zürich
Riehen.- Nach einer dreijährigen umfassenden kunsthistorischen Erforschung, Konservierung und Restaurierung kommt das grösste Restaurierungsprojekt in der Geschichte der Fondation Beyeler zum Abschluss. Die Fondation Beyeler arbeitet seit 2009 in Kooperation mit dem internationalen Kunstversicherer Nationale Suisse an der wissenschaftlichen Erforschung von Henri Matisse’ Acanthes (1953, 311 x 350,5 cm), einem Hauptwerk aus der Serie seiner grossformatigen »Papiers découpés«. Im einsehbaren Restaurierungsatelier im Souterrain der Fondation Beyeler können die Arbeiten mitverfolgt werden. Das Projekt wird von den Restauratoren Markus Gross und Stephan Lohrengel und dem Kurator Ulf Küster betreut.

Auf der Basis der durchgeführten Untersuchungen konnten wichtige Forschungsergebnisse zum Entstehungsprozess, zur Technik der Scherenschnitte sowie zur Arbeitsweise von Henri Matisse gewonnen werden. Diese Erkenntnisse machen einen langfristigen Erhalt der Scherenschnitte erst möglich. Darüber hinaus mussten dank dieser Resultate nur minimale Eingriffe am Werk vorgenommen werden. Acanthes befindet sich im Vergleich zu anderen grossformatigen »Papiers découpés« des Künstlers in einem guten Zustand. Derzeit werden bis Juli 2012 letzte restauratorische und konservatorische Massnahmen realisiert. Das neu gerahmte Werk wird 2013 in der Sammlungspräsentation einen prominenten Platz einnehmen.

Die Technik des Scherenschnitts war für Henri Matisse zunächst ein Hilfsmittel und Gestaltungselement für seine Malerei, Zeichnungen und Skulpturen, bevor er sie in den 1940er Jahren zu einer eigenständigen Stilform entwickelte.

Acanthes ist gegenüber anderen grossformatigen »Papiers découpés« gut erhalten. Zu diesem Urteil gelangten die Restauratoren nach intensiver technologischer Untersuchung und Sichtung von über vierzig Vergleichswerken in internationalen Sammlungen. Bei diesen Reisen konnten vergleichbare Herausforderungen hinsichtlich der Konservierung und Restaurierung mit den dortigen Restauratoren und Kuratoren diskutiert werden. Im Darstellungsbereich von Acanthes sind keine grossen Beschädigungen oder Veränderungen festzustellen. Dagegen haben sich frühere Transporte und Ausleihen ungünstig auf den Randbereich ausgewirkt. Hierbei wurde das Werk mehrfach vom Keilrahmen abgenommen und wieder aufgespannt, eine bis Anfang der 1970er Jahre übliche Massnahme. Es entstanden kleine Risse, Knicke und sich ablösende Papierbereiche. Sehr früh wurde das Papier unsauber wieder zurückgeklebt.

Für die letzten restauratorischen und konservatorischen Eingriffe wurde Acanthes auf einen grossen Arbeitstisch im einsehbaren Restaurierungsatelier gelegt. Nach der Stabilisierung der durch das mehrfache Ab- und Aufspannen an den Rändern geschwächten Leinwand wird nun das Papier im beschädigten Randbereich gefestigt; die optisch stark störenden verfärbten Klebstoffspuren auf dem Papier werden vermindert. Die besondere Herausforderung besteht darin, die darunter liegende weisse Gouachefarbe nicht anzugreifen. Zuletzt werden partielle kleinere Retuschen im Randbereich vorgenommen. Die Arbeiten werden unter dem Mikroskop durchgeführt und immer wieder aus der Entfernung begutachtet.


Rahmung, Verglasung und Lichtschutz

In der Sammlung Beyeler gehört Acanthes zu den grössten Werken. Es ist zudem das grösste verglaste Bild, das von Ernst Beyeler schon frühzeitig gerahmt wurde. Die Rahmenkonstruktion entsprach jedoch nicht mehr den aktuellen konservatorischen Anforderungen. So musste der Keilrahmen, auf den Acanthes gespannt ist, das gesamte Gewicht von Rahmen und Verglasung tragen. Die Rahmung ist eine wesentliche konservatorische Massnahme, die dem Schutz des Werks dient. Ernst Beyeler liess Acanthes zu einem späteren Zeitpunkt Ende der 1970er Jahre mit einer aus zwei Teilen zusammengeklebten Acrylglasscheibe verglasen, um die empfindliche Oberfläche vor Schmutz, mechanischen Beschädigungen und schädigenden Lichtstrahlen zu schützen.

Die Scheibe hatte sich über die Zeit gelblich verfärbt und wurde auch wegen der mittigen Klebenaht nicht wieder verwendet. Ziel ist es, eine optimale ästhetische und für das Werk zugleich schützende Präsentation zu gewährleisten. Heute ist es glücklicherweise möglich, dank einer Spezialanfertigung eine Acrylglasscheibe aus einem Stück in dieser Grösse zu erhalten. Anders als bei der alten Scheibe ist nun keine störende Klebenaht mehr vorhanden, und doch ist ein optimaler Schutz vor schädigender UV-Strahlung gegeben.

Microfading

Chromatische Veränderungen und das Ausbleichen der farbigen Formen führen zu einem veränderten Farbeindruck. Bereits Matisse war um die Stabilität der Gouachefarben besorgt, denn der von ihm gewählte chromatische Kontrast zwischen den einzelnen Farben und dem Hintergrundpapier sind für ihn essentiell. Daher kommt dem Monitoring von möglichen Farbveränderungen eine besonders wichtige Bedeutung zu.

Bei der Methode des Microfadings oder der Microfading-Spektroskopie wird ein Lichtstrahl über eine bestimmte Zeit auf einen sehr kleinen Punkt (0,25 mm) gerichtet. Ein Detektor misst die Farbveränderungen an dieser Stelle. Mithilfe dieser Methode können im günstigsten Fall Prognosen gestellt werden, wie lichtstabil die einzelnen Farben sind. Dies hat auch Auswirkungen, wie oft und wie lange man Acanthes zukünftig präsentieren kann und darf. Die Microfading-Untersuchungen werden in Kooperation mit der Nottingham Trent University (UK) durchgeführt.
www.fondationbeyeler.ch


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