Samstag, 16. Juni 2012

Ein Reigen

Zürich.- Arthur Schnitzler kannte sich mit Affairen und Affekten aus. Drei bekannte Werke Schnitzlers sind dafür beispielhaft. «Der Reigen», geschrieben 1896/97, und die beiden Monolognovellen «Lieutenant Gustl» (1900) und «Fräulein Else» (1924): Ein Karussell erotischer Begegnungen, ein verstörter junger Mann und ein bedrängtes Fräulein. Die Ausstellung macht diese Erzählwelten durchlässig und eröffnet intime Einblicke in die Kultur und Mentalitätsgeschichte der Zeit. In diesem Jahr wäre Schnitzler (geboren am 15. Mai 1912 in Wien) 150 Jahre alt geworden. Deswegen widmet ihm das Zürcher Museum am Strauhof ab 20. Juni eine Ausstellung.

Es beginnt  mit Schnitzlers mechanistisch gefügtem «Liebesreigen». Quer durch die Gesellschaftsschichten führt er nacheinander zehn Paare zum Liebesakt zusammen. Verborgen hinter den Gedankenstrichen am «Höhepunkt» der Szenen, zeigt das Stück Sexualität als zentrale Triebkraft. Die Verkettung der Paarkonstellationen entwirft auch das Modell einer lückenlosen Ansteckung – es beginnt und endet bei der Prostituierten. Die Ausstellung im Museum Strauhof inszeniert das Stück und die heftigen Reaktionen als Sittenbild einer Epoche. Noch 1981, als die Bühnen von Basel und Zürich das vom Autor selber erlassene Aufführungsverbot nach Ablauf des Urheberrechtes durchbrachen, provozierte das Stück.

«Fräulein Else» präsentiert sich in der Ausstellung im Hotelambiente mit Themenfenstern zur prekären Situation der jungen Frau in der bürgerlichen Gesellschaft der Jahrhundertwende. Im Grandhotel als Gast der reichen Tante wird die 19-jährige Else konfrontiert mit der herrschenden Doppelmoral und kann in dieser Welt ihren Ort nicht finden. Wie Kleider probiert sie Rollen an, die in der Ausstellung eine Revue sozialer Zuschreibungen und künstlerischer Inszenierungen des Frauenbildes ergeben. Ob «sporting girl», reiche Gattin oder Edelhure, für Else, zum Tauschobjekt degradierte Tochter eines Defraudanten, enden alle Hotelwege beim erotisch aufgeladenen Thema: die Frau und das Geld. Und von hier führt eine Verbindung zur Entstehungszeit der Novelle in den 20er Jahren, als Inflation, Nackttänze und Revuegirls die Gemüter bewegten.

Ein atmosphärischer Hörraum inszeniert schliesslich die Gedankenwelt des jungen Lieutenant Gustl, der durch das nächtliche Wien wandert. Hörinseln und assoziative Bildwerte führen in Gustls «Kopfraum», mit all seinen Widersprüchen, Hohlheiten und unfreiwilligen Geständnissen. Gustls Konflikt mit seinem Ehrbegriff ist die Analyse eines spezifischen Milieus und Männerbildes um 1900; für Schnitzler selbst endete die «Affaire» mit der Aberkennung seines Offiziersrangs.

Die Ausstellung wurde von Evelyne Polt-Heinzl und Gisela Steinlechner kuratiert und für das Museum Strauhof erweitert. Gestaltet wurde sie von Peter Karlhuber.

Mehr zu Arthur Schnitzler

Affairen und Affekte
Zum 150. Geburtstag von Arthur Schnitzler
20. Juni bis 2. September 2012
Eine Ausstellung des Österreichischen Theatermuseums,
Wien, in Kooperation mit der Arthur Schnitzler-Gesellschaft

Museum Strauhof Literaturausstellungen
Augustinergasse 9
CH 8001 Zürich
0041 (0)44 412 31 39
http://www.strauhof.ch

Allerlei Zweifel in der Eifel

Wer noch immer glaubt, Liebe und Mordlust haben nichts miteinander zu tun, wird vom Leben manchmal eines Besseren belehrt. Und wenn dann auc...