Montag, 30. Juli 2012

Die Welt mit anderen Augen sehen

Basel.- Basel hat in diesem Sommer vom 29. August bis 9. September 2012 wieder ein
internationales Theaterfestival. Mit dabei sind grossartige
KünstlerInnen der zeitgenössischen Theater- und Tanzwelt, wie der polnische Regisseur Jan
Klata, William Forsythe aus Deutschland, Brett Bailey aus Südafrika, der lettische Regisseur
Alvis Hermanis, Russell Maliphant aus Grossbritannien und die zum diesjährigen Berliner
Theatertreffen eingeladene deutsche-englische Live Art Gruppe Gob Squad. Das Theaterfestival
Basel lockt mit einem vielseitigen Programm aus Tanztheater, Nouveau Cirque, grossen
Theatererzählungen sowie neuen Formen und Experimenten. Die Festivalproduktionen sind auf
verschiedenen Basler Bühnen zu sehen: in der Kaserne Basel, im jungen theater basel, Theater
Basel und Theater Roxy Birsfelden. Ausgefallene Stadtaktionen für jung und alt beleben das
Festivalzentrum auf dem Kasernenareal und sind damit Teil des grössten Theatersommerfestes der
Stadt Basel.

Das Motto des Theaterfestivals lautet: Die Welt mit anderen Augen sehen – ein geflügeltes Wort,
das ebenso den eigenen «anderen» Blick meint wie auch den Blick der «Anderen» auf die Welt. Das
Theaterfestival bietet viele verschiedene Perspektiven auf die Welt, in der wir leben.
Präsentiert werden 18 Produktionen aus zwölf Ländern, 46 Vorstellungen an zwölf Tagen, 288
Stunden wahres Leben! Die künstlerische Leitung liegt bei Carena Schlewitt, Direktorin der
Kaserne Basel. Getragen wird das Festival vom Verein „Theaterfestival Basel“ und finanziert
wird es aus den beiden Swisslos-Fonds Basel Stadt und Basel-Landschaft, Stiftungsgeldern, den
Einnahmen und Eigenleistungen der Häuser.

Während des Theaterfestivals lädt das Festivalzentrum auf dem Kasernenareal, gestaltet von
Studierenden des Instituts Innenarchitektur und Szenografie der FHNW, zum Verweilen, Geniessen
und Diskutieren ein. Neben Workshops und Einführungen für Schulklassen sowie Publikumsgesprächen bietet das Theaterfestival Basel gemeinsam mit dem Migros-Kulturprozent das Residenzprogramm «watch & talk» an, ein Austauschforum für einen ausgewählten Kreis von nationalen und internationalen KritikerInnen.

Der Vorverkauf bietet allen Theaterfans ein spezielles Angebot: Tickets für alle Vorstellungen können bis zum 30. Juni für nur CHF 25,- (ermässigt CHF 15,- ) erworben werden.

Detailliertes Programm:


Theater

Das Festival eröffnet mit Frankreichs enfant terrible des Theaters, Aurélien Bory und seiner
Compagnie 111, deren Arbeiten sich gegen jede Einordnung sperren. In ihrer spektakulären
Performance «Sans objet» tanzt ein zwei Tonnen schwerer Schweissroboter – in den 70er Jahren
Modellarbeiter der Automobilindustrie – einen unerhörten pas de trois mit den Artisten Olivier
Alenda und Olivier Boyer.

Die internationale Theaterwelt ist weiterhin vertreten mit der Erfolgsproduktion von Gob Squad
und CAMPO „Before your very eyes“, in der sieben Kids im Alter von 11 bis 17 Jahren ihr Leben
im Schnelldurchlauf durchspielen.

Der polnische Regisseur Jan Klata zeigt seine Aufsehen erregende Inszenierung «Ein Stück über
Mutter und Vaterland» von Bozena Keff. Erzählt wird die Geschichte einer Mutter, Überlebende
des Holocaust, die ihr Kriegstrauma auf ihre Tochter überträgt und sie zur Sklavin ihrer Sicht
auf die Welt macht.

Laila Soliman, Autorin und Regisseurin aus Kairo und Willy-Brandt-Preisträgerin 2011,
verarbeitet in „No Time for Art“ Berichte über Morde und Folterungen während der ägyptischen
Revolution und dokumentiert die Ungerechtigkeit und Brutalität der Polizei und des Militärs vor
und seit der Ägyptischen Revolution.

Ein europäisches Gipfeltreffen der besonderen Art inszeniert Sanja Mitrovic in ihrem Stück
„Crash Course Chit Chat“, in dem fünf PerformerInnen der Gründerländer der EU miteinander
abrechnen: mit ihrer eigenen Geschichte, mit ihren Konflikten und mit dem ganzen verspotteten
Rest um sie herum.

Ein Missionar, der seit mehr als fünfzig Jahren im Kongo tätig ist und nun auf Heimaturlaub in
Europa ist, berichtet in dem Stück „Mission“ von den Stationen seines Lebens in Afrika. Der
eindrückliche Monolog mit dem überragenden Schauspieler Bruno Vanden Broecke nach einem Text
von David Van Reybrouck wirft Fragen nach Moral und den Verstrickungen des Einzelnen in einer
widersprüchlichen Welt auf.

Die Schweizer Gruppe Far A Day Cage hat mehrere Wochen am ursprünglichsten Ort der Schweiz
gelebt und geprobt – im Bödmerenwald, dem grössten «Urwald» der Alpen. In ihrer gleichnamigen
Produktion nimmt FADC die Zuschauer mit auf eine Reise zu den Ursprüngen der Zukunft unserer
Zivilisation – und dies an einen urbanen Ort der Stadt Basel.

Brett Bailey, einer der ideenreichsten Theaterschaffenden aus Südafrika, der sich mit seinen
Theaterstücken immer wieder aufs Neue mit der postkolonialen afrikanischen Kultur
auseinandersetzt, kommt mit seiner aktuellen Arbeit «medEia» (nach Oscar van Woensel) nach
Basel. Diese Inszenierung, mit rasantem Pop und Underground Music unterlegt, verweist
nachdrücklich auf die postkoloniale Gegenwart und belebt das antike Drama mit Themen wie
Immigration, Vertreibung und Fremdenfeindlichkeit.

Ein Stück intelligentes, bissiges und gekonntes Puppenspiel bietet das Blind Summit Theatre aus
London mit „The Table“. Eine Puppe, ausgestattet mit einem charismatischen und eigenwilligen
Kopf, lebt seit 40 Jahren auf einem Tisch und entfaltet dort ihr ganz eigenes Universum.

Alvis Hermanis, wundersamer Regiekünstler aus Riga, sowie das aussergewöhnliche Schauspiel-
Ensemble des Neuen Rigaer Theaters, drehen die Zeit um vierzig Jahre zurück und zeigen ein
Stück über die Utopien der 68er – Woodstock, Simon & Garfunkel, Träume von Frieden, Liebe und
einer besseren Welt - ohne Worte und mit viel Musik von Simon & Garfunkel.

Tanz / Performance

Die eingeladenen ChoreografInnen, TänzerInnen und Tanzcompagnien bereichern das Festival mit
Performances, Tanztheater und Installationen. Der junge Tänzer und Choreograf Daniel Linehan
zeigt zwei seiner aussergewöhnlichen Performancearbeiten. «Montage for Three» ist eine
Choreografie der Bilder für zwei Tänzer und einen Projektor, in der alltägliche und berühmte
Fotos zu lebendigen Tableaus der Erinnerung entwickelt werden. In «Not About Everything» dreht
sich Daniel Linehan 30 Minuten im Kreis und kreiert damit einen ebenso unterhaltsamen wie
komplexen Tanz.

Die Balance zwischen Körperlichkeit und Schwerelosigkeit im Werk von Auguste Rodin inspirierte
den britischen Choreografen Russell Maliphant zu seinem aktuellen Stück „The Rodin Project“,
das im Grossen Haus des Theaters Basel gezeigt wird. Maliphant bedient sich dabei klassischer
Tanzstile, wie auch zeitgenössischer Formen von Hip-Hop, Body-Popping, Locking und anderen.

«revolver besorgen» von Helena Waldmann schafft ein überwältigendes Porträt der Demenz-
Krankheit in all ihren Erscheinungsformen. Die grandiose Tänzerin und ehemalige Primaballerina
Brit Rodemund, Tänzerin des Jahres 2011, zeigt darin den Balanceakt zwischen dem Glück des Hier
und Jetzt und irren Abgründen.

In einer choreografischen Arbeit von William Forsythe, einem der führenden Choreografen
weltweit, orientiert sich der Performer Brock Labrenz im weiten Raum der leeren Turnhalle
Klingental zwischen einer Unzahl von Pendeln und erforscht so das kinetische und metaphorische
Potenzial jener beiden vielwertigen Landschaften.

In «It’s going to get worse and worse and worse, my friend» tanzt Lisbeth Gruwez die Trance von
ekstatischen Reden und Ansprachen. Dabei benutzt sie Fragmente aus einer Rede des
ultrakonservativen Fernsehpredigers Jimmy Swaggart und entfaltet in einem 50minütigen Tanzsolo
ihr beeindruckendes, explosives Bewegungsvokabular.

Stadtaktionen

Das Kaserenareal wird während des Festivals zu einem Aktionszentrum für internationale
Künstler. Der österreichische Ausnahmechoreograf und Stadtinterventionist Willi Dorner
entwickelt Bewegungsszenarien für urbane Räume und hat damit schon ganze Städte auf den Kopf
gestellt. In seiner Arbeit «above under inbetween» fallen die Möbelstücke und Menschen einen
Weg entlang – da purzeln Körper über Stühle, Tische und Schrankwände, als seien sie
Dominosteine.

Ebenfalls auf dem Kasernenareal findet eine aussergewöhnliche Aktion des japanischen
Architekten und Künstlers Noriyuki Kiguchi statt. Seine Werke sind gewaltige, kaum zu
bändigende, alles verschlingende Schlangengebilde aus Holz, Stoff und Plüsch. Bei seinem für
das Theaterfestival Basel gestalteten «Carry-in- Project #9» wird eine riesige Skulptur
gemeinsam mit Besuchern und Passanten in den Kopfbau der Kaserne getragen, durch komplizierte
Drehungen und Wendungen durch das Gebäude manövriert, bis es den Weg hinaus zur Rheinseite
findet.

Der ägyptische Streetartist Ganzeer wird sich in Basel während des gesamten Festivalzeitraums
dem Kasernenplatz widmen – mit einem riesigen, 1200qm grossen, kollektiv erarbeiteten Bild, das
nur mit der Hilfe des Publikums entstehen kann.

Begleitprogramm

Das Theaterfestival Basel präsentiert den gerade erschienenen Dokumentarfilm „Knistern der
Zeit“ von Sibylle Dahrendorf über Christoph Schlingensief und sein Operndorfprojekt in Burkina
Faso.

Der Film „Kolka Cool“ von Juris Poškus entstand mit einigen der hervorragenden
SchauspielerInnen des Rigaer Ensembles von Alvis Hermanis, die mit ihren Dialogen zum
wunderbaren lettischen schwarzen Humor beitragen.

Die Videoarbeit „Sindbad“ des Schweizer Künstlers Christoph Oertli verbindet die Musik des
ägyptischen Oudspielers Ahmad El-Sawy mit Videobildern aus Ägypten.

Ebenfalls aus Ägypten kommt der Oudspieler Mustafa Saïd, der den zweiten Doppelabend von Laila
Soliman mit einem Konzert bereichern wird. Fabian Chiquet und Victor Moser werden in „Warhol &
Assange: Die Wikileaks Fuge“ die Akten von Julian Assange musikalisieren.

www.theaterfestival.ch

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