Montag, 11. März 2013

«...so leben sie noch heute»

Jacob (1795-1863) und Wilhelm (1786-1859) Grimm; Vorsatzblatt Deutsches Wörterbuch. Leipzig, Hirzel 1854
Zürich.- Als Jacob und Wilhelm Grimm zu Anfang des Jahres 1813 die ersten Exemplare ihrer «Kinder- und Hausmärchen» in den Händen hielten, war ihr Welterfolg in den seither 200 Jahren nicht absehbar. Der Absatz liess zunächst zu wünschen übrig, und erst als eine 1823 publizierte Auswahl daraus in englischer Sprache auf Anhieb grossen Erfolg hatte und die Brüder Grimm darauf 1825 ebenfalls eine «Kleine Ausgabe» publizierten, fanden die «Kinder- und Hausmärchen» auch im deutschen Sprachraum zunehmende Verbreitung. Eine Ausstellung im Zürcher Museum Strauhof rekonstruiert ab 13. März den Werdegang der «Kinder- und Hausmärchen» und dokumentiert ihre Rezeption. Vor allem aber zeigt sie ihre Wandlungsfähigkeit, die sie auch in den neuesten Medien überleben lässt.

Zum wachsenden Erfolg trug auch bei, dass die Brüder Grimm die anfängliche Textgestalt mit jeder Ausgabe überarbeiteten. Einwendungen von Freunden folgend, die Sprache der Märchen sei nicht kindergerecht, versuchten sie, einen einheitlichen, mündliches Erzählen rekonstruierenden Märchenton zu treffen. In den Bearbeitungen setzten sich auch zunehmend biedermeierliche Vorstellungen von Tugenden wie Frömmigkeit, Demut, Bescheidenheit, Gehorsam, Pflichterfüllung, Fleiss, Reinlichkeit und Mitgefühl gegenüber Schwachen und Tieren durch. Im weiteren haben zur Popularität der Märchen die Illustrationen stark beigetragen, die mit den neuen Reproduktionstechniken möglich wurden. In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich die «Kinder- und Hausmärchen» in ganz Europa durchgesetzt, und im 20. und 21. Jahrhundert bediente sich auch die Traumwelt des Kinos aus der Schatzkiste der Märchen.

So leben die «Kinder- und Hausmärchen» der Brüder Grimm auch heute noch. Kaum ein Kind, das ihnen nicht seine frühesten Begegnungen mit der Welt des Unheimlichen wie des Trostes zu verdanken hätte. Vielleicht deshalb hält sich nach wie vor hartnäckig die Vorstellung, die Märchen seien aus der Wiege des Volkes gehoben, wo sie über lange Zeit mündlich überliefert worden seien.

Die Märchenforschung hat jedoch die Quellen der Brüder Grimm auch bei italienischen und französischen Autoren gefunden, und auch Sammlungen wie die orientalischen «Erzählungen aus 1001 Nacht» waren ihnen bekannt. Und je nach Standpunkt der Interpreten hat man in den Märchen Konstanten des menschlichen Seelenlebens oder Modelle erfolgreichen Stressmanagements, die Bestätigung des schlechten Bestehenden oder den utopischen Vorschein einer klassenlosen Gesellschaft gefunden.

Öffnungszeiten: Di bis Fr 12 - 18 Uhr, Sa und So 10 - 18 Uhr, Montag geschlossen

«...so leben sie noch heute»
200 Jahre «Kinder- und Hausmächen» der Brüder Grimm
13. März bis 9. Juni 2013

Museum Strauhof
Augustinergasse 9
CH-8001 Zürich
T 0041 (0)44 412 31 39

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