Montag, 7. April 2014

Festspiele Zürich 2014: „Prometheus – Entfesselung der Kräfte“

 
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Zürich.- Vom 13. Juni bis 13. Juli 2014 stehen die Festspiele Zürich unter dem Motto „Prometheus – Entfesselung der Kräfte“ und laden ihr Publikum ein, den Mythos des Feuerbringers und Kulturstifters der Menschheit neu zu entdecken. Künstlerisches Herzstück des reichhaltigen, spartenübergreifenden Programms ist Luigi Nonos selten aufgeführtes, epochemachendes Werk Prometeo – Tragedia dell‘ascolto in der Tonhalle Zürich.

Prometheus stahl den Göttern das Feuer und brachte es den Menschen. Dieser Akt entfesselte die Kräfte der Menschen und sie schufen Kultur und Technik – wobei stets Fluch und Segen eng beieinander lagen. Vom 13. Juni bis 13. Juli 2014 widmen sich die Festspiele Zürich diesem Mythos mit zahlreichen Konzerten, Schauspiel, Tanz, Oper, Ausstellungen, Diskussionsveranstaltungen und vielem mehr.

Luigi Nono als thematischer Schwerpunkt
Künstlerisches Herzstück ist die von Tonhalle-Gesellschaft Zürich, Opernhaus Zürich und Schauspielhaus Zürich gemeinsam getragene Aufführung von Luigi Nonos Prometeo – Tragedia dell’ascolto in der Tonhalle unter der Leitung von Ingo Metzmacher. Entstanden im Jahre 1985 ist dieses Werk ein Glanzpunkt der musikalischen Avantgarde und ein kompromissloser Versuch, in der Musik die grossen Themen der Menschheit zum Klingen und zur Sprache zu bringen. Eine besondere Rolle spielt bei der Umsetzung der jeweilige Raum mit seinen akustischen Besonderheiten – er wird als eine „eigene Stimme“ in die Musik einbezogen.

Luigi Nono und seinem Werk widmen sich weitere Veranstaltungen, etwa ein Abend des Collegium Novum Zürich zu Ehren Nonos oder ein Konzert mit seinem Quartett Fragmente – Stille, An Diotima, gespielt vom Quatuor Diotima. Eine Matinee der Reihe ‚Wahlverwandtschaften – Literatur und Musik‘ geht Nonos literarischen und musikalischen Inspirationsquellen für seinen Prometeo nach, unter Mitwirkung von Nonos Freund Helmut Lachenmann. Auch am Departement Musik der Zürcher Hochschule der Künste steht Luigi Nono neben Ludwig van Beethoven im Zentrum eines Prometheus-Tages.

Entfesselung der Kräfte in der Musik des 20. Jahrhunderts
Das Festspielprogramm des Tonhalle-Orchesters Zürich steht ganz im Zeichen des Abschieds von seinem langjährigen Chefdirigenten David Zinman. Er bringt seinen Beethoven-Zyklus zum Abschluss und lässt mit Gustav Mahlers Auferstehungssinfonie dessen von Luigi Nonos Prometeo wieder aufgegriffene positive Utopie erstrahlen. Daneben widmet sich das Tonhalle-Orchester primär den zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts entfesselten Kräften der Phantasie. Das Eröffnungskonzert entwirft ein Panorama der Musik des 20. Jahrhunderts mit Werken von Webern, Berg und Schönberg, und beim Kammermusik-Tag erklingt die ganze Vielfalt dessen, was in der Musik seither möglich geworden ist.

Das Theater Rigiblick präsentiert eine Bricolage aus Texten und Musik des „Erfinders“ Arnold Schönberg, und in der Gessnerallee Zürich setzt sich der Pianist Stefan Wirth mit dem russischen Avantgarde-Komponisten Alexander Skrjabin und seinem mystischen Prometheus-Akkord auseinander. Jazz des 21. Jahrhunderts erklingt in Kooperation mit dem Moods im Sommerpavillon des Museums Rietberg bei der Konzertreihe „Prometheus meets Jazz“.

Schwerpunkt 1914 und Festspielpremieren von Opernhaus und Schauspielhaus
Der Beginn des 20. Jahrhunderts brachte auch bedeutende Umbrüche in Gesellschaft, Wirtschaft und Forschung und eine Entfesselung verheerender Kräfte mit sich. Auf eine mit Angst und Verunsicherung durchmischte kollektive Euphorie folgte die grosse Katastrophe mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges – zum hundertsten Mal jährt er sich am 28. Juni. Diesem Themenkreis widmen sich die Ausstellung „1900-1914. Expedition ins Glück“ des Landesmuseums Zürich sowie eine mit Peter Sloterdijk, Miriam Meckel, Gustav Seibt und Martin Meyer prominent besetzte Diskussionsrunde am Schauspielhaus Zürich.

Ebenfalls aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts stammt die Festspielpremiere des Opernhauses Zürich, Puccinis Western-Oper La fanciulla del West – ein Stück über entwurzelte Glückssucher – mit der Amerikanerin Catherine Naglestad als Minnie. Das Schauspielhaus Zürich zeigt in Kooperation mit dem Burgtheater Wien Franz Molnárs im Jahre 1909 entstandene Vorstadtlegende Liliom, in der die Menschen dem Karussell ihres Schicksals gnadenlos ausgeliefert sind. Regie führt Schauspielhaus-Intendantin Barbara Frey.

Der Mythos im Wandel der Zeiten
Rüdiger Safranski eröffnet die Festspiele mit einem Festvortrag, dem er den Titel „Prometheus und kein Ende“ gegeben hat. In weiteren Vorträgen, Ausstellungen und im Rahmen des Zürcher Festspielsymposiums wird über die Wirkung und Bedeutung des Prometheus-Mythos im Wandel der Zeiten bis in die Gegenwart nachgedacht. Die in Kooperation mit der Universität Zürich konzipierte Veranstaltungsreihe „Archipel Prometheus“ beleuchtet mit vier musikalisch ergänzten Themen-Inseln unterschiedliche Aspekte des Prometheus-Stoffes in verschiedenen historischen Epochen. Eine Kabinettausstellung im Kunsthaus reflektiert den Wandel der künstlerischen Beschäftigung mit der Figur des Prometheus, indem sie Gemälde und Zeichnungen von Johann Heinrich Füssli mit einem eindrucksvollen Werk der Gegenwartskunst von Javier Téllez konfrontiert. Das Geschenk des Prometheus an die Menschheit, das Feuer, ist ein zentraler Bestandteil des Universums des Zen-Meisters Sengai, dem das Museum Rietberg eine Ausstellung widmet.

Prometheus im Theater der Gegenwart
Diverse Theateraufführungen verpflanzen das Festspielmotto ganz in die heutige Zeit. Im Schiffbau zeigt das Multiplayer-Video-Stück Situation Rooms von Rimini Protokoll die Schattenseiten des „prometheischen Feuers“. Das Publikum begegnet Personen, deren Biografien von Waffen mitgeschrieben wurden, und erlebt die globalisierte Welt der Herrschenden und Flüchtenden hautnah mit. An zehn Tagen an zehn Orten lässt der Schauspieler Robert Hunger-Bühler die Worte Friedrich Nietzsches aus Also sprach Zarathustra als integrale Rezitation an den Ufern, Rändern und im Herzen der Stadt kreisen.

In der Gessnerallee Zürich raubt Chris Kondeks und Christiane Kühls Anonymous P. den Mächtigen die Daten und schenkt den Menschen Anonymität. Ein prometheischer zeitgenössischer Künstler kämpft gegen das Verlöschen in Peter Kastenmüllers Theateradaptation des Romans Karte und Gebiet von Michel Houellebecq am Theater Neumarkt. In Urs Widmers Komödie König der Bücher, die am Theater Rigiblick zur Uraufführung kommt, wird der Verleger-Titan Edgar Göschen von seinem Thron gestürzt. Schliesslich ist Prometheus Gegenstand einer Slam Poetry Show im Sommerpavillon des Museums Rietberg.

Festspiele für alle
Für Festspielstimmung inmitten Zürichs ist gesorgt, wenn die „Oper für alle“ mit einer Liveübertragung des Rigoletto aus dem Opernhaus den neu gestalteten Sechseläutenplatz in ein Freiluftparkett und der traditionelle Sommernachtsball die Halle des Zürcher Hauptbahnhofs in einen glänzenden Ballsaal verwandelt. Fritz Senn, der Leiter der Zürcher James Joyce Stiftung, erhält den Zürcher Festspielpreis 2014. Im Rahmen eines besonderen Vermittlungsprojekts können Mittelstufen-Schulklassen „einmal Prometheus sein“, wenn sie im Schiffbau, in der Tonhalle und im Kunsthaus Zürich nach dem perfekten Menschen suchen.

Den fulminanten Schlusspunkt des Festivals setzt ein rauschendes Festspielfest in der Gessnerallee Zürich mit dem Tanzspektakel Vader des belgischen Kollektivs Peeping Tom. Es rückt die zentrale Figur prometheischer Entfesselungen in den Fokus – und damit diejenige Gestalt, mit der der ungehorsame Prometheus lebt, leidet, wächst: den Vater.

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