Zürich.- Philippe Parreno (geboren 1964 in Oran/Algerien, lebt und arbeitet in Paris), der 2002 zusammen mit Pierre Huyghe für die Kunsthalle Zürich die erste umfassende Ausstellung aller Arbeiten mit der Manga Figur Annlee im Projekt "No Ghost just a Shell" realisierte, stellt sich mit "May" noch bis 16. August in der Kunsthalle Zürich in einer Einzelausstellung vor.
Hier findet nun die erste Episode, oder das zeitlich und räumlich erste erlebbare Bild, in einer Reihe von Ausstellungen mit retrospektivem Charakter statt, die der Künstler in Folge im Centre Pompidou in Paris (3. Juni bis 7. September 2009), im Irish Museum of Modern Art in Dublin (4. November 2009 bis 24. Januar 2010) und im CCS, Bard College, New York (Frühling 2010), realisieren wird. Für jede der genannten Institutionen wird Parreno, ausgehend von einem besonderen Aspekt seines Oeuvres, ein spezifisches "Bild" erarbeiten.
Philippe Parreno hat im Verlauf der letzten zwanzig Jahre ein wechselvolles und komplexes Werk geschaffen, das voll von Bezügen, mentalen Evokationen und Verhandlungen der Spielarten von Literatur, Philosophie, Science Fiction, dem Film, des Theaters, der Informationsformate wie Radio, Fernsehen und Internet ist. Auffällig ist, dass nicht die Konventionen der visuellen Kunstgeschichte, also der Malerei und Skulptur, verhandelt, sondern durch das Spiel mit Zeit, Prozess und Formaten, die klassischen Vorstellungen von Kunst erörtert werden. Dabei nehmen Erinnerungen und Projektionen immer wieder eine wichtigere Rolle ein, als das Objekt selbst.
2003 zeigte Parreno in der Friedrich Petzel Galerie in New York den Film "The Boy from Mars". Er platzierte DVDs des Films in einer Bücherwand und gab sie als Geschenk an die Besucher ab. Der sich nach Öffnen der Packung auflösende Film bildete zusammen mit der Bücherwand eine Arbeit, die den Eingang zur Ausstellung in der Galerie blockierte. Durch einen mysteriösen Drehmechanismus, falls das Publikum ihn fand, öffnete sich die Wand wie eine Schwingtür und gab Einlass in einen Raum, in dem die Gemeinschaftsarbeit von Philippe Parreno und Rirkrit Tiravanija gezeigt wurde.
Die beschriebene Installation und der genannte Film stehen für zentrale Themen im Werk des Künstlers Philippe Parreno: So ist eine herausragende Eigenschaft des Werks von Parreno die Transformation von Genres, besonders die des Films in das Format der visuellen Kunst. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Untersuchung des Themas der Ausstellung per se. Eine "Retrospektive" des Künstlers muss also eine Ausstellung als zentralen Gegenstand seiner Auseinandersetzung erfahrbar machen und ist mehr als eine Liste chronologisch relevanter und repräsentativer Werke.
Parreno schafft Situationen, die es den Dingen erlaubt, eine andere Form anzunehmen, wodurch spielerisch Neues in der bildenden Kunst etabliert wird. Diese Dinge werden genährt von den Geistern kunstfremder Formate: Er lässt sie zu Kino, Philosophie, Literatur, Wissenschaft oder Fiktionen werden, begrüsst und engagiert Mutanten und Hybride, die Imagination von Kreaturen und Wesen, die ihre Form in unserer Fantasie und Wahrnehmung immer wieder ändern. Dazu gehören Feen, Monster, Freaks, Geister und Gespenster, Phantome, Bauchredner, Doppelgänger, Hypnotiseure und Seher, Kinder, Roboter und andere intelligent handelnde Maschinen. Sie alle üben in den Werken imaginativ verwandelte, theoretisch begründete Kritik an den konventionellen Formaten von Exponat und Ausstellung mit den Mitteln des Märchens, des Films und der kollektiven Kreativität.
Parreno kreiert selbstständige (Film-)Wesen für Ausstellungen. Er verortet die Ausstellung in der Zeit, wie im Titel "May" unserer Ausstellung angedeutet. In einer kontinuierlichen Transformation seiner Arbeiten findet Parreno zu immer wieder neuen Formaten und Modellen möglicher Ausstellungsformen: Hier kehren die Geister seiner Arbeiten selber als Protagonisten ihrer eigenen Identität zurück.
Die Ausstellung in der Kunsthalle Zürich gibt einen Einblick in das Werk des Künstlers mit Arbeiten, die von den 1990er Jahren bis heute entstanden sind, auf mehreren erzählerischen und evokativen Ebenen: Neun Marquee-Arbeiten, die seit 2007 entstehen, verwandeln die Räume in ein glühendes Feld von möglichen Eintritten in Filmtheater. Sie ähneln den mit Glühbirnen bestückten "Vordächern" der Entertainment-Kultur der Welt und sind ergänzt durch die Leuchtreklame "Boy from Mars" (2005), die den gleichnamigen, ebenfalls in der Ausstellung gezeigten Film, von 2003 ankündigen könnte.
Eine Reihe von 10 Zeichnungen zieht sich als parallele Erzählung durch die gesamte Ausstellung: Monster, die der in New York lebende Kinderbuchillustrator Johan Olander zum Werk Philippe Parrenos entwickelt hat – Interpretationen eines Gesamtwerks – mutieren zu komischen, bedrohlichen, schockierenden und erheiternden Ungeheuern. Sie werden von Parreno selber nochmals neu gezeichnet werden, der hierdurch einen Doppelsalto der Interpretation veranstaltet. So stehen die Monster in Kommunikation mit Arbeiten, die Sprache, weit verzweigte Erzählungen oder Fiktionen als Geister anwesend sein lassen: Hunderte von Ballonen in Form von Sprechblasen, Glaslautsprecher, Marionetten, Fotografien vom Künstler, der zu Tieren spricht, ein Film, der "ein Gebäude produziert" hat und zahlreiche Geschichten, die die Monster der Zeichnungen beginnen wollen...
Abbildung: Speaking to the Penguins, 2007. Kolorierte Infrarot Fotografie, auf Aluminium montiert und hinter Acrylglas gerahmt, 133 x 200 cm. Courtesy Esther Schipper, Berlin
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 12 - 18 Uhr, Donnerstag 12 - 20 Uhr, Sa und So 11 - 17 Uhr, Montag geschlossen.
Philippe Parreno - May
9. Mai bis 16. August 2009
Kunsthalle Zürich
Limmatstrasse 270
CH - 8005 Zürich
0041 (0)44 272 15 15
info@kunsthallezurich.ch
http://www.kunsthallezurich.ch
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