Mittwoch, 8. Juli 2009

Riehen: Der unverspielbare Diamant (bis 8. August)















Riehen
.- Berühmt und oft kopiert: Das weltweit begehrte KunstSpielObjekt Diamant von Peer Clahsen ist vom 8. Juli bis 3. August Gegenstand eines eigenen Krimis, den das Spielzeugmuseum Riehen erzählt. Der Diamant ist ein zerlegbarer regulärer Oktaeder (8-Seiten), dessen Elemente sich als Reihe von Dreieckzahlen (1, 3, 6, 10, 15, 21 etc) auszeichnen und durch einfache Konstruktion spezifiziert sind. Jedes Kantenteil eines Elementes, einschließlich der kleinen Oktaederkerne, ist aus einem minutengenau gefrästen rhombischen Winkelprofil geschnitten, verleimt und zu verschieden großen Quadratrahmen einer komplexen Oktaederpackung geordnet.

Der Diamant, 1966 von Peer Clahsen entwickelt und als KunstSpielObjekt anlässlich seiner Ausstellung in Kiel 1977 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt, wurd noch im selben Jahr nach einem Wettbewerb am Institut für Neue Technische Form in Darmstadt mit dem 1. Preis ausgezeichnet. Der Diamant wird 1980 von Kurt Naef, dem bedeutenden Spielzeugmacher aus der Schweiz, ins Fabrikationsprogramm aufgenommen und seitdem in vielen Auflagen in perfekter Qualität aus Holz produziert. Er ist weltweit präsent als Originalobjekt in Museen, u.a. im MOMA NewYork und Tokyo, bei PLAYART in EastHampton, im Deutschen Museum in München, im Haus Konstruktiv in Zürich; als Plagiatobjekt „Doppelpyramide“ sogar in einem Museum in Kairo.

Peer Clahsen, 1938 geboren, lebt und arbeitet in Schopfheim im südlichen Schwarzwald (Deutschland). Er absolverte eine Lehre als Handwerker und ein Kunststudium. Seit 1967 hat er zahlreiche Spielobjekte entworfen, viele inzwischen Klassiker. Peer Clahsen arbeitet als freischaffender Künstler, Kunstpädagoge, Lyriker und Performance-Interpret.

Der Diamant wurde bereits kurz nach seinem ersten Erscheinen kopiert. 1992 erhielt ein aus Südkorea stammender Hersteller an der Frankfurter Messe den von Rido Busse initiierten „Plagiarius“, eine fragwürdige Auszeichnung für das beste Plagiat. Die Folge ist, dass andere fernöstliche Firmen, jetzt motiviert, nachziehen und „Diamant“-Plagiate aus Kunststoff auf den Markt bringen. Ab 1996 ist es u.a. eine ebenfalls aus SüdKorea stammende, in Tokyo ansässige Firma; mit ihr gelingt zwar eine vertragliche LizenzVereinbarung, das Objekt, „Piramide™ “ genannt, rechtlich an den Urheber Peer Clahsen zu binden, doch die in Japan angesiedelte Firma verschwand plötzlich spurlos. Das Plagiat tauchte später in Taiwan auf und wurde dort produziert mit der Begründung, man habe vom Urheber die Erlaubnis dazu. Die Verantwortlichen sind bis heute nicht erreichbar. Lizenzen sind bis heute nie gezahlt worden.

Der Diamant ist inzwischen zu einem einflussreichen und bedeutenden Objekt-Klassiker avanciert. Etliche deutsche und ausländische Firmen bieten das Plagiat unter verschiedenen Namen wie „RegenbogenPyramide“, „TriangelPuzzle™ “, „IdealBlox™ “ etc an. In USA machte sich 1998 die Firma ImageAbility daran, das Objekt „Diamant“, obgleich es bereits etliche Jahre im Handel ist, als eigenen Entwurf zu reklamieren und in Asien herstellen zu lassen. Mehrere langwierige Einigungsversuche mit dem Inhaber der Firma scheitern "an dessen mangelnder Seriosität", so der Veranstalter: "Unter der Behauptung, dass das Objekt von seinem Sohn entworfen worden sei (obwohl es längst weltweit bekannt ist, als der Sohn noch gar nicht geboren war) wurden vom Amerikanischen, vom Kanadischen und später auch vom Europäischen Deutschen Patentamt (offensichtlich ohne die angebliche Neuheit zu überprüfen) rechtmäßige Patente erteilt. Das Bemühen, die zuletzt erfolgte deutsche Patentanmeldung zu stoppen, scheiterte am Versäumnis des Schweizer Herstellers, rechtzeitig Einspruch zu erheben."

Der Diamant ist in USA als Kunststoffobjekt mit dem Namen „wedgits™ “ auf dem Markt. Da das Plagiat inzwischen auch in Deutschland durch das hier erteilte Patent 2007 rechtsgültig ist, ist es potentiellen Herstellern untersagt, ein Objekt gleichen Aussehens auf dem Markt anzubieten. Das Patent trifft zunächst nicht den Schweizer Hersteller, der das Objekt „Diamant“ als hölzerne Version anbietet. Ein deutscher Großhändler, der seinerseits eine asiatische Kopie in Kunststoff verkauft, sieht sich indessen in seinem Handel gesperrt und strengte mit Hilfe seines Anwalts und durch Peer Clahsens Urheberdokumente belegt eine Patentlöschung beim Europäischen Deutschen Patentgericht an - und gewann.

ImageAbility aus USA schreckt unterdessen weiter, heißt es in der Pressemitteilung. Jetzt erhält demnach auch ein anderer in Deutschland ansässiger Großhändler Drohbriefe mit scheinrechtlich untermauerten Aufforderungen, den Verkauf unverzüglich einzustellen. Alles ist ohne Erfolg. Unterdessen sind USA-Plagiate auch in der Schweiz erhältlich. Der Diamant unter dem PlagiatNamen „IdealBlox™ “ ist in Frankreich 2000 als bestes SpielObjekt mit dem Prix Lepine™ und in USA 2007 als „Wedgits™ “ mit acht Awards ausgezeichnet worden, darunter der GoldenAward™, eine Art Oscar™ für das beste pädagogische Spielobjekt. Weltweit sind inzwischen etwa drei Millionen „Diamant“-Plagiate unter verschiedenen Autorennamen und mit diversen Objektnamen ohne abgerechnete Lizenzen verkauft worden. Der Diamant wurde 1996 in Japan als eines von 100 vollkommenen Objekten des 20. Jahrhunderts in eine „Sammlung ewiger Dinge“ gewählt. Mehrere Ausstellungen in Japan 2003/’04/’05 unter dem Titel „Die sieben Fenster des Würfels“ sowie Seminare und Workshops und ein japanweiter Wettbewerb 2005 mit dem OriginalObjekt trugen dazu bei, die klassische Kunst des Objektspiels (ArtObjectPerformance) neu zu beleben.

Der Diamant gehört wie auch andere KunstSpielObjekte Peer Clahsens z.B. „cubicus“, „cella“, „angular“ oder „plenus“, zu den unverspielbaren Dingen. Er ist somit ein Objekt des vollkommenen Spiels und zeichnet sich aus durch etwas, das uns auch aus der Kultur Chinas als Formenspiel bekannt ist: „Tangram“, jenes schwarze, in verschiedene Polygone zerlegte Quadrat, woraus silhouettenartige Figuren gelegt werden können. Verwandt scheint er zu dem, was uns aus der japanischen Kultur durch das „Origami“ überliefert ist: mit endlichen Faltungen eines quadratischen Blattes Papier unzählige räumliche Formen zu gestalten. Und schließlich verkörpert das KunstSpielObjekt „Diamant“ erstarrt materiell, was immateriell uns durch Töne und Laute der Musik einbelebt ist: er gehört dem Repertoire eines unendlichen Kombinationsreichtums aus einem gegebenen „Ganzen“ an, in das immer wieder zurückzukehren ist - in geordnete, ästhetische Verhältnisse. Weil der Mensch, frei nach Friedrich Schiller, nur dort Mensch ist, wo er spielt, und nur dort spielt, wo er Mensch ist, schafft er ethische und humanistische Grundlagen. „ ... nur eine Ethik des Spiels“, so Pierre Bertaux, „erlaubt es der Gattung Mensch, noch einmal davonzukommen.“ Spielzeugmuseum, Dorf- und Rebbaumuseum Riehen. 2009

Abbildung: http://www.naefspiele.ch/index.php?id=45

Öffnungszeiten: Täglich 11 - 17 Uhr. Dienstag geschlossen.
1.1., Basler Fasnacht, Karfreitag, 1.5., 1.8., 24.-26.12., 31.12. geschlossen.

Spielzeugmuseum Riehen
8. Juli – 3. August 2009
Kabinettstücke 20: Der Diamant-Krimi
Berühmt und oft kopiert:
Das weltweit begehrte KunstSpielObjekt Diamant von Peer Clahsen
Baselstrasse 34, 4125 Riehen
Telefon: 061 641 28 29
http://www.riehen.ch/de/tourismus/spielmuseumred/
spielzeugmuseum@riehen.ch

Allerlei Zweifel in der Eifel

Wer noch immer glaubt, Liebe und Mordlust haben nichts miteinander zu tun, wird vom Leben manchmal eines Besseren belehrt. Und wenn dann auc...