Zürich.- Mit Treffpunkt Zürcher Pfauen hat am 19. Dezember ein Jelinek-Stück Schweizer Erstaufführung. „Ab in die Schweiz! Auf in die Schweiz!“ RECHNITZ (DER WÜRGEENGEL) der Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, 2009 von der Fachzeitschrift ‚Theater heute’ zum Stück des Jahres gewählt – handelt von einer überstürzten Abreise. Man will schnell weg von Schloss Rechnitz an der österreichisch-ungarischen Grenze, die Rote Armee steht vor der Tür. Stunden zuvor haben die Schloss-Gäste bei einem Massaker 180 jüdische Zwangsarbeiter erschossen. Auf dieser Flucht wird das Publikum die Schauspielerin Isabelle Menke begleiten. Inszeniert wird die Schweizerische Erstaufführung von Leonhard Koppelmann. Treffpunkt ist jeweils das Foyer des Pfauen, den eigentlichen Spielort erreichen die Zuschauerinnen und Zuschauer mit dem Bus. Jede Vorstellung wird an einem neuen Spielort aufgeführt werden.
Frühjahr 1945. Die „Gräfin“ ist auf der Flucht, hinter sich ihr brennendes Schloss und die Rote Armee, vor sich die Schweiz. Auf Schloss Rechnitz an der österreichisch-ungarischen Grenze hat Gräfin Margit von Batthyány eben noch eines ihrer berühmt-berüchtigten Feste gefeiert, eingeladen waren SS-Offiziere und Gestapoführer. Auf dem Höhepunkt dieses Festes griff die Gesellschaft zu den Waffen und ermordete 180 jüdische Zwangsarbeiter, die via Rechnitz deportiert werden sollten. Rechnitz steht für ein Kriegsverbrechen, das nicht gesühnt ist. Die Leichen der Opfer wurden nie gefunden, ein Prozess kurz nach dem Krieg verlief im Sande, die Täter tauchten unter oder flüchteten unbehelligt. Und die Gräfin, eine geborene Thyssen-Bornemisza, wählte als ihren neuen Lebensmittelpunkt die Familienvilla am Luganer See.
Aus diesem Stoff entwickelt Elfriede Jelinek einen Theatertext von monumentaler Wucht und Bedrohlichkeit. Sie lässt Boten sprechen, und zwar in heutiger Zeit, in der Zeugenschaft über die NS-Verbrechen ein rares Gut geworden ist. Diese fiktiven Boten haben lange geschwiegen oder, falls sie unter Druck doch gesprochen haben, wahrscheinlich die Unwahrheit gesagt – nun plappern sie los, in einem unaufhörlichen, gewaltigen Redestrom. Sie vereinen sämtliches Wissen und Nichtwissen zum Fall Rechnitz und weit darüber hinaus, bleiben auf sich gestellt und eingeschlossen wie die Festgesellschaft in Bunuels Film „Der Würgeengel“. Die Boten repräsentieren das Gerede, das vor der Erinnerung schützen soll. Aber wie schon in ihrem Opus Magnum „Die Kinder der Toten“ zeigt Jelinek eindrucksvoll, dass es vor manchen Abgründen keinen Schutz gibt. Die Gespenster kommen immer wieder. Nach „Macht nichts“ (2001) und „In den Alpen“ (2002) wird erstmals wieder ein Theatertext der Nobelpreisträgerin am Schauspielhaus Zürich aufgeführt.
Leonhard Koppelmann war von 1995 bis 1999 als Regieassistent und Regisseur am Hamburger Thalia Theater tätig. 1996 führte er zum ersten Mal bei einem eigenen Hörspiel Regie. Seitdem arbeitet er vorwiegend als freier Hörspielautor und -regisseur. Dem Werk Elfriede Jelineks ist Leonhard Koppelmann durch mehrere Regiearbeiten verbunden: er inszenierte, zuerst als Hörspiel und später auch als Theatermonolog am Deutschen Theater Berlin, die Uraufführung von „Sportchor“ (mit Stefan Kaminski), als Hörspiele setzte er ausserdem Jelineks ersten Roman „bukolit“ sowie ihr RAF-Stück „Ulrike Maria Stuart“ um.
Isabelle Menke arbeitete nach ihrer Schauspielausbildung in freien Projekten mit Robert Hunger-Bühler in Bonn und hatte Engagements in Wilhelmshaven und Lübeck. Von 1993 bis 1999 war sie Ensemblemitglied am Theater am Neumarkt Zürich und spielte anschliessend am Theater Basel, am Schauspielhaus Zürich und war Ensemblemitglied am Schauspiel Hannover. 2007 wechselte sie erneut ans Theater Basel. Wichtige Regisseure der letzten Jahre waren Stefan Bachmann, Christoph Marthaler, Barbara Frey, Sebastian Nübling, Elias Perrig und Florentine Klepper.
RECHNITZ (DER WÜRGEENGEL)
von Elfriede Jelinek
Schweizerische Erstaufführung, Premiere: Samstag, 19.12.2009, 20.30 Uhr
Mit: Isabelle Menke. Regie Leonhard Koppelmann. Bühnenbild Nadia Schrader. Kostüme
Agnes Raganowicz. Dramaturgie Roland Koberg.
Weitere Vorstellungen an verschiedenen Orten in Zürich:
21./ 22.12. und 6./ 7./ 25.01., jeweils 20.30h; an wechselnden Spielorten in Zürich Treffpunkt Pfauen-Foyer
www.schauspielhaus.ch
Mittwoch, 16. Dezember 2009
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