Cindy Sherman - Untitled Film Still, 1978 s/w-Fotografie, 25,4 x 20,3 cm Edition of 10 Courtesy of the Artist and Metro Pictures © Cindy Sherman, Quelle: Stiftung
Zürich.- Der mit CHF 150.000 höchstdotierte europäische Kunstpreis, der Roswitha Haftmann-Preis, geht 2012 an die amerikanische Künstlerin Cindy Sherman (*1954). Mit einem Sonderpreis hat der Stiftungsrat der Zürcher Roswitha Haftmann-Stiftung die Zürcher den Filmemacher Harun Farocki ausgezeichnet.
Sherman zählt zu den wichtigsten Vertreterinnen der inszenierten Fotografie. Sie bedient sich ausschliesslich ihrer eigenen Person, ihres eigenen Körpers als Modell ihrer Inszenierungen, verfolgt jedoch kein selbst-referenzielles Konzept. Sie ist die Neu-Erfinderin der Rollenfotogra- fie. Ihr Rollenspiel, das im Atelier als Performance beginnt, gelangt schliesslich als Fotografie an die Öffentlichkeit. Die Darstellungen überschreiten die Grenzen des Exhibitionistischen und provozieren umso mehr, da sie nicht als Selbstporträts verstanden werden wollen. Vielmehr parodiert Sherman in wechselnden Rollen stereotype Frauenbilder und thematisiert die weib- liche Identität in einer männlich dominierten Gesellschaft. Untersucht werden Verdrängungs- prozesse des Körperlichen, Psychischen und Sexuellen, die gegenwärtig mit Tabus besetzt sind. Die Künstlerin zeigt sie in teils grellfarbigen überzeichneten Stellvertretern («Reproduktionen»).
Sherman führt ihr Publikum in konfliktgeladene Situationen. Die individuelle Identität die sie darstellt, trifft auf ein kollektives Unterbewusstsein, artifizielle Schönheit auf natürliche Bru- talität. Indem ihre Kunst den Betrachter anzieht und abstösst, ihn tief zu verunsichern und zu- gleich nachhaltig zu faszinieren vermag, zeigt Sherman ein besonderes Talent. Für die Jury der Roswitha Haftmann-Stiftung ist sie nach Andy Warhol die bedeutendste Künstlerin der filmi- schen und fotografischen Selbsterforschung. In Anerkennung dieser künstlerischen Leistung verleiht der Stiftungsrat ihr den Roswitha Haftmann-Preis.
Technisch und formal lehnt sich Sherman an Charakteristika der Werbung, des Kinos oder der klassischen Malerei an. In diesen gestalterischen Grenzen hat sie sich eine hohe Beweglichkeit bewahrt. Der Durchbruch gelang ihr mit einer Reihe von Schwarzweiss-Fotografien, die zwi- schen 1977 und 1980 entstanden: den «Untitled Film Stills» und die an Standbilder des italie- nischen Neorealismus sowie an den amerikanischen Film Noir erinnern. In darauf folgenden, ersten farbigen Fotoserien werden sexuelle Übergriffe thematisiert. Prothesen und Puppen werden bevorzugte Requisiten der Künstlerin. Es folgen History-Porträts, inszeniert nach be- kannten Gemälden und mit einem hohen Wiedererkennungsgrad für den Betrachter, Serien zu Themen wie Hollywood und Clowns.
Cindy Sherman wurde 1954 in Glen Ridge, New Jersey, geboren. Sie studierte Malerei am State University College in Buffalo, New York und begann sich währenddessen mit Fotografie zu beschäftigen. Ihre erste bedeutende Arbeit, «Bus Riders» (1976), entstand noch zu Studienzei- ten. Heute lebt und arbeitet die Künstlerin in New York. Ihre Werke sind in den Sammlungen der bedeutendsten Kunst-Museen der Welt vertreten – neben den USA insbesondere in Europa, aber auch in Mexiko und in Israel.
Cindy Sherman ist die zwölfte Künstlerpersönlichkeit, der Europas höchstdotierter Kunstpreis zuteil wird und neben Maria Lassnig, Mona Hatoum und Vija Celmins die vierte Frau. Die Über- gabe des mit CHF 150‘000.- dotierten Preises findet am 10. Mai 2012 im Kunsthaus Zürich statt.
Sonderpreis für Harun Farocki
Die Auszeichnung geht auf die Initiative von Roswitha Haftmann (1924-1998) zurück. Seit 2001 vergibt ihre Stiftung den Preis an lebende Künstlerinnen und Künstler, deren Werk von überra- gender Bedeutung ist. Wer den Preis erhält, wird vom Stiftungsrat bestimmt. Ihm gehören die Direktoren des Kunstmuseums Bern, des Kunstmuseums Basel, des Museum Ludwig in Köln und des Kunsthaus Zürich an. Hinzu kommen Mitglieder, die vom Stiftungsrat berufen werden. Die Statuten eröffnen die Möglichkeit, Sonderpreise zu vergeben. Davon macht die Jury nun zum dritten Mal Gebrauch und spricht dem in Berlin lebenden Regisseur Harun Farocki einen Sonderpreis in Höhe von CHF 75‘000.– zu.
Der 1944 im heutigen Tschechien geborene Autor, Dozent und Filmemacher studierte von 1966 bis 1968 an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Er machte sich als Filmkritiker und Drehbuchautor einen Namen und hat seit 1966 über 100 Produktionen abgeschlossen – überwiegend Dokumentar-, Essay- und Storyfilme. Viele seiner seit dem Jahr 2000 geschaf- fenen Arbeiten werden in Ausstellungen und Museen gezeigt – an der Biennale in Sao Paulo ebenso, wie an der Documenta 12. Er kuratiert Ausstellungen in Kunstvereinen und Museen. Weitere Informationen unter www.roswithahaftmann-stiftung.com.
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