Félix Vallotton: Sur la plage, 1899. Öl auf Karton, 42 x 48 cm; Privatsammlung |
Im Jahr 2007 versammelte die Ausstellung «Idylle am Abgrund» viele seiner schönsten und manche seiner skurrilsten Bilder. Überraschend ist, dass es neben der Kunsthaus-Sammlung, die durch gezielte Ankäufe und Schenkungen heranwuchs, in Schweizer Privatbesitz noch eine zweite, ebenso bedeutende Vallotton-Sammlung gibt. Der Umfang dieses Schatzes ist der Öffentlichkeit bis jetzt verborgen geblieben. Das Sammlerpaar zog es vor, anonym zu bleiben.
Warum es reizvoll ist zu zeigen, wie sich die Kollektion des Kunsthauses mit dieser wohl einzigartigen privaten Sammlung ergänzt und bereichert, wird in den historischen Sälen des Moserbaus schnell klar. Wie in einer Retrospektive sind alle Themen der Kunst Vallottons präsent: die flüchtigen Umarmungen einsamer Herzen, menschenleere Landschaften, der diskret getarnte Ehebruch, magisch beleuchtete Strandszenen, verträumte Blicke und entblösste Kartenspielerinnen. Dieser sensible und ironische Beobachter, der die Gesellschaft am Beginn des 20. Jahrhunderts nicht ohne kühle Distanziertheit und subtile Gesellschaftskritik abbildete, erzählt Geschichten, die heute nicht weniger aktuell sind als zu seinen Lebzeiten.
Die meisten der ausgestellten Gemälde entstanden zwischen 1895 und 1912. Dies war die produktivste, leichteste und erfolgreichste Zeit Vallottons, nachdem er lange Jahre mit gesundheitlichen und finanziellen Schwierigkeiten gekämpft und sich auf Druckgrafik beschränkt hatte, die ihm das Überleben sicherte. 1899 heiratete er seine langjährige Geliebte, die Witwe Gabrielle Rodrigues-Henriques, die aus vermögendem Haus kam, womit sich seine finanzielle Lage umgehend veränderte. Er war nun ein Teil der Bourgeoisie, die er vorher mit seinen Bildern indirekt kritisiert hatte – in Interieurs, die auf den ersten Blick beschaulich wirken, aber die Doppelmoral dieser Gesellschaft enthüllen.
Nun verbrachte er die Sommer an der Küste in Honfleur, in der Nähe von Lausanne oder reiste in Frankreich umher. Dies veränderte seine Malerei, sie wurde sanfter, versöhnlicher, leichter: Die eigene Wohnung mit Gabrielle als Modell, zarte, hübsche Landschaften, Strandszenen – dies sind die schönen Zeiten! Vallotton hatte endlich Erfolg, konnte Gemälde verkaufen. 1907 lernte er die Schweizer Sammlerfamilie Hahnloser kennen, die ihn stark förderte. Viele seiner Bilder erwarb sie selbst oder vermittelte sie an andere Interessenten. Erstmals wurden Vallottons Werk ganze Ausstellungen gewidmet.
Für die aktuelle Accrochage hat das Kunsthaus Zürich den Sammler und Hauptleihgeber eingeladen, als Gastkurator die beiden Kollektionen in einen spannungsvollen und unterhaltsamen Dialog zu setzen. Für den Privatmann ist es eine besondere Erfahrung, die Früchte seiner jahrzehntelangen Auseinandersetzung mit Vallotton zum ersten Mal vollständig im Museum zu sehen und eine Herausforderung, mit einem musealen Bestand zu arbeiten. Es ist ein Testfall für beide Sammlungen.
Bewusst wurden nicht nur die kanonischen Hauptwerke, sondern der breitangelegte Überblick gewählt. Aufgrund dessen kommt auch manches Werk aus den Tiefen des Kunsthausdepots ans Licht, das nur selten zu sehen war. Damit wird die Ausstellung zu einer Hommage an eine grosse Museumssammlung – und an die Leidenschaft zweier sympathischer, Kunst sammelnder Menschen, die sich ganz einfach begeistern liessen für einen der aussergewöhnlichsten Künstler am Beginn der Moderne.
Öffnungszeiten: Sa/So/Di 10 – 18 Uhr, Mi bis Fr 10 – 20 Uhr, Montag geschlossen
Félix Vallotton. Schöne Zeiten
5. Juli bis 15. September 2013
Kunsthaus Zürich
Heimplatz 1
CH-8001 Zürich
T: 0041 (0)44 25384-84info@kunsthaus.ch
www.kunsthaus.ch