Zu Beginn des 19. Jahrhunderts beschloss die englische Kolonialmacht in Indien, ihre Grenze zum befeindeten Königreich Burma zu sichern, sowie eine Verbindung zwischen den Teeanbaugebieten in Assam und Manipur über den Landweg zu suchen. Auf diesem Weg trafen sie im Bergland des indisch-burmesischen Gebiets erstmals auf eines jener Bergvölker, die später zusammengefasst unter dem Ethnonym Naga staatliche Unabhängigkeit fordern sollten.Abbildung: Mit gefärbtem Ziegenhaar verzierter Gibbon-Kopf als Brustanhänger eines Kopfjägers. Konyak Naga, Dorf Longmien. Museum für Völkerkunde, Wien. Foto: Stephan Zeisler.
Im Zuge der Kolonialisierung der Naga-Region entstanden mehrere Monographien zu einzelnen Naga-"Stämmen", umfangreiches Bildmaterial und grosse Objektsammlungen. Das Bild allerdings, das die Ethnographen des frühen 20. Jahrhunderts von den Naga zeichneten, ein Bild von stolzen Kriegern und Kopfjägern, Verdienstfesten und grossen Ritualzyklen, gehört inzwischen der Vergangenheit an.
Schon früh im 20. Jahrhundert entstand in der Naga-Region eine nationale Bewegung. Die Folge nach dem Abzug der Briten war ein blutiger Konflikt zwischen der indischen Armee und den Unabhängigkeitskämpfern der Naga, der dazu führte, dass das Gebiet seit 1947 für Besucher verschlossen blieb. Über ein halbes Jahrhundert lang war es praktisch unmöglich, die Naga-Gebiete zu bereisen, erst seit 2001 ist dies wieder beschränkt möglich.
Wer heute nach Nagaland fährt, findet eine ganz andere Kultur vor, als sie in den Monographien und Objektsammlungen der 1920er und 1930er Jahre dokumentiert ist. Die religiösen Elemente der vorkolonialen Zeit wurden fast vollständig vernichtet oder aufgegeben zugunsten eines evangelikal geprägten Christentums. Auffallend ist heute das aktive Bemühen um eine gemeinsame Naga-Identität, die von Teilen der Bevölkerung durch die Forderung nach kultureller und politischer Autonomie, von einer Minderheit jedoch nach wie vor durch die Forderung nach staatlicher Unabhängigkeit beschworen wird. Der einstige bewaffnete Konflikt mit den indischen Autoritäten wich einem zähen Bruderkrieg zwischen verfeindeten Fraktionen des bewaffneten Untergrunds, der täglich neue Opfer fordert.
Die Ausstellung in Zürich zeigt sowohl die alte Kultur der Naga, wie sie in den Objektsammlungen des frühen 20. Jahrhunderts dokumentiert ist ("Schmuck"), als auch die historische Entwicklung, in deren Verlauf die traditionelle Kultur durch Missionare und Kriege über weite Teile zerstört wurde ("Asche"). Diese Entwicklung führte in das heutige Identitätsvakuum, in dem die Naga neue Wege für die Zukunft suchen. Neben Objekten und Fotografien werden auch Lieder, Filme und Interviews mit Naga-Persönlichkeiten aus ganz unterschiedlichen Perspektiven vorgestellt, begleitet von einem umfangreichen Materialband.
Erstmals werden die während der britischen Kolonialzeit angelegten Sammlungen zur materiellen Kultur der Naga aus Museen der Schweiz, Deutschlands und Österreichs umfassend präsentiert und können so neu entdeckt werden. Während die Ausstellung im Völkerkundemuseum Zürich die Brüche zwischen Vergangenheit und Gegenwart thematisiert, stehen die Sammlungen im Museum der Kulturen Basel als Zeugen einer vergangenen Zeit im Mittelpunkt. Sie sind zu einem wertvollen Archiv geworden, das sowohl zum Verständnis der heutigen Situation in Nagaland beiträgt als auch eine Grundlage für die dortige Interpretation der eigenen Geschichte bildet.
Ausstellungsdaten:
Völkerkundemuseum der Universität Zürich:
Naga – Schmuck und Asche
07. Juni 2008 bis 1. März 2009
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10 – 13, 14 – 17 Uhr, Samstag 14 - 17 Uhr, Sonntag 11 – 17 Uhr
Pelikanstrasse 40
CH - 8003 Zürich
0041 (0)1 634 90 11
musethno@vmz.unizh.ch
Museum der Kulturen Basel:
Naga – Eine vergessene Bergregion neu entdeckt
22. August 2008 bis 17. Mai 2009
Öffnungszeiten: Di - So: 10.00 - 17.00 h / Mo: geschlossen
Münsterplatz 20
4051 Basel
0041 (0)61 266 56 00
info@mkb.ch