Alarm-Rakete, 1996. Bleistift, Kugelschreiber, Filzstift und Farbstift auf Schreibpapier. Graphische Sammlung der ETH Zürich
Zürich.- Der Schweizer Künstler Roman Signer (geb. 1938) gehört zu den eigenständigsten Protagonisten der zeitgenössischen Kunstszene. Einem breiten Publikum ist der Appenzeller vor allem durch seine spektakulären Aktionen bekannt geworden. Seit den 70er Jahren unterzieht Signer immer wieder Alltagsgegenstände ungewöhnlichen Transformationsprozessen, hantiert mit Sprengstoff oder lässt vergängliche Skulpturen entstehen. Seit 1981 tut er dies öffentlich.
So überraschte er 1987 an der Documenta 8 mit einer eindrücklichen Abschlussperformance: für einige Augenblicke liess er eine riesige Papierwand aus zeitgleich gesprengten Papierstössen erstehen. Von seinem Heimatort Appenzell legte er 1989 eine Zündschnur bis zu seinem Wohnort St. Gallen und liess diese während 35 Tagen langsam abbrennen. Zur Eröffnung des neuen Zürcher Einkaufszentrums Sihlcity installierte er 2007 einen sich auf einer Bahn bewegenden Koffer, der sich stets von neuem mit Wasser füllt und immer wieder entleert, dem ungehindert zirkulierenden Kapitalfluss nicht unähnlich. Der Koffer stellt in Signers Werk die Metapher schlechthin dar. Nicht ohne Grund verwendet Peter Liechti für den Titel seines filmischen Porträts von 1996 eben dieses Element, womit er nicht nur dem bei Signer beliebten Experimentierobjekt, sondern vor allem auch seinem Werk eine enorme Breitenwirkung verschafft hat. Der alltägliche Gegenstand, der mit allen gesammelten Eindrücken und Fundstücken im Film als Chiffre für das Reise-Dasein des Künstlers steht, mutiert hier einmal zu einem Gefährt, kann aber auch zu einem Wurfgeschoss geraten. Doch was vielfach scheinbar aus einer spitzbübischen Laune resultiert und rein zufällig erscheint, geht auf teilweise langzurückliegende Einfälle und langgehegte Wünsche des Künstlers zurück.
Diese spontanen Ideen pflegt der Künstler auf dem erstbesten Blatt Papier oder Zettel festzuhalten, um deren Verflüchtigung entgegen zu wirken. Danach werden sie in eine Kassette gelegt und wie ein Schatz gehütet, um eines Tages hervorgeholt und endlich realisiert zu werden. Oft ist eine solche Realisierung von langer Hand geplant und Ausdruck eines komplexen Visualisierungsprozesses. Dies zeigt die Ausstellung in der Graphischen Sammlung der ETH zum ersten Mal. Nun kann ein breites Publikum an diesem schrittweisen Schöpfungsprozess teilhaben, der hier in der Gegenüberstellung von Skizzen und Modellen erst deutlich wird. Im Zentrum der Ausstellung steht ein Konvolut an Ideenskizzen im Besitz der Graphischen Sammlung der ETH. Es handelt sich um Material aus dem Zeitraum von den frühen 70er bis zu den späten 90er Jahren. Es sind Andeutungen erster Bildideen, kombiniert mit genauen Detailansichten, Versatzstücke realisierter Projekte neben Vorlagen für bisher unbekannte Vorhaben, Entwürfe für ganze Aktionen oder Konzepte geplanter Ausstellungen - Gedankengut, das Signer immer wieder aufgreift und stets weiterentwickelt. Dazu werden rund ein Dutzend Modelle, allesamt vom Künstler ausgeliehen, auf einem eigens für die Ausstellung von ihm entworfenen grossen Tisch installiert. Diese Modelle sind bisher noch nie gezeigt worden. Signer hat sie bisher so gut wie alle in seinem Besitz zurückbehalten. Für ihn sind es in erster Linie Arbeitsinstrumente. Sie sind aber auch eigentliche Kunstobjekte, von seinem Schwiegervater Stanislaw Rogowiec in aufwendiger Massarbeit angefertigt.
Auch der Koffer kommt hier vor: einmal entwirft Signer mit gewohnt knappen Strichen eine Installation mit einer leicht über starkem Gebläse schwebenden Bagage, ein anderes Mal simuliert ein Modell den an einer Stange befestigten und im Raum kreisenden Koffertrabant. Vom langsam dahinkriechenden Kajak zum neuesten geplanten Weihnachtsbaum im Wassertank, von den ältesten Sandprojekten bis zu den Stiefeln im Entwurf zum Brunnen beim Paul-Scherrer-Institut der ETH - stets konfrontieren die Exponate den Betrachter mit Signers subversiv-humorvollen Sicht auf die Dinge selbst, verkörpern aber auch seine ästhetische Suche nach der gültigen Form für seine situativen Ideen. Stets steckt deshalb hinter jedem von ihnen auch eine kleine Geschichte. In diesem Zusammenhang ist es nicht uninteressant auf die enge Beziehung des Künstlers zu der ETH hinzuweisen, die im Rahmen der Ausstellung ebenfalls dokumentiert wird: Signer ist in den späten 60er Jahren mehrmals für die Versuchsanstalt für Wasserbau an der ETH Zürich tätig gewesen. Mit seiner Aktion Sternenhimmel ist 1997 das Wissenschaftskolleg Collegium Helveticum eingeweiht worden.
Öffnungszeiten: Mo bis Fr von 10 - 17 Uhr, Mittwoch bis 19 Uhr, Sa und So geschlossen
Roman Signer - Skizzen und Modelle
20. Mai bis 9. Juli 2010
Vernissage: Mi 19. Mai 10, 18 Uhr
Graphische Sammlung der ETH
Rämistrasse 101
CH - 8092 Zürich
0041 (0)44 632 40 46
info@gs.ethz.ch
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