Dienstag, 13. März 2012

Mundart - zwischen Nostalgie und Zukunft

Angéla Korb bei der Übergabe des Donauschwäbischen Kulturpreises des Landes
Baden-Württemberg im Jahr 2011 mit Innenminister Gall.

 Weil am Rhein/Schopfheim.- Die 24. Internationale Mund-Art Literatur-Werkstatt wird in diesem Jahr vom 16. bis 18. März wieder als Kooperation zwischen den Kulturämtern in Schopfheim und Weil am Rhein und dem Autor Markus Manfred Jung stattfinden. Auftakt ist am Freitag um 20 Uhr wieder mit der öffentlichen Lesung im Weiler Stapflehus. Teilnehmer sind Alfred Gulden aus dem Saarland, Markus Heiniger aus Basel, Manfred Kern aus Rothenburg ob der Tauber (fränkisch-hohenlohische Mundart und hochdeutsch), Angéla Korb aus dem ungarischen Pécs/Fünfkirchen (schwäbisch), Jean-Christoph Meyer aus dem Unterelsass, Markus Manfred Jung aus Wehr und der Moderator Volker Habermaier aus Schopfheim.
Am Samstag werden die sechs Autorinnen und Autoren mit dem Moderator an ihren Texten in der Stadtbibliothek Schopfheim arbeiten und dabei der Frage nachgehen, wo sich ihr gegenwärtiges Schreiben im Spannungsfeld zwischen Nostalgie und Zukunft verorten lässt. Besteht,  da das Schreiben im Dialekt oft Erinnerungsliteratur ist, nicht die Gefahr der Verklärung und damit unwillkürlich die Schaffung einer Distanz zur heutigen Wirklichkeit und zu den Problem der Zukunft?

Abends um 20 Uhr findet die traditionelle Lesung statt, diesmal in St. Agathe, Schopfheim-Fahrnau. Zudem werden drei Autorenbesuche im Unterricht an Schulen der Umgebung durchgeführt, nämlich in der Zelgschule Wehr, im Schulzentrum Steinen und am Theodor-Heuss-Gymnasium Schopfheim.

Die Teilnehmer
Alfred Gulden,  1944 in Saarlouis geboren, lebt heute wechselweise im Saarland und in München. Sein literarisches Werk kennzeichnen erregende Sprachexperimente auf der Basis einer forciert rhetorischen Prosa, z.B. die Romane 1982: „Greyhound“ und 1991: „Ohnehaus“. In seiner Person vereinigen sich eigentlich zwei Autoren: einer, der auszog nach München, New York, Bordeaux oder auf die Seychellen und sich als Theaterrevolutionär, Erzähler oder Filmregisseur ästhetisch verwirklichte, und ein anderer, der den heimatlichen Winkel neu entdeckte und als Chance zur literarischen Kreativität begriff. Dutzende einfühlsamer Fernseh-Filme mit saarländisch-lothringischen Themen zeugen davon, desgleichen etwa „Die Leidinger Hochzeit“ (1984), ein Roman, der als regionale Kuriosität ein Dorf behandelt, dessen Straßenmitte Grenze ist . Sein innovativer Beitrag zur Saarliteratur besteht im poetischen Rückgriff auf den Saarlouis-Rodener, d.h. moselfränkischen Dialekt. Mit Guldens Namen verbindet sich eine Reform hin zur sozialkritischen Mundartdichtung (z.B. 1975:„Lou mòòl lòò, lòò laida“ , 1981: „et es neme, wiit freja wòòa“ u.a.). In Essays , vor allem aber mit faszinierenden Gedichten und Liedern (2000 zusammen gefasst in: „Onna de langk Bääm“) wurde er zum Nestor einer literarischen Bewegung und schrieb z.B. mit dem Gedicht „De Grenz/ Die Grenze/La frontière“ einen Dialekt-Klassiker. 2009 erschienen alle Dialektgedichte aus über dreißig Jahren in dem Band „Hennam Baandamm“.

Markus Heiniger hat am 18.08.1968 in Basel das Licht der Welt erblickt. Berndeutsch mit der Muttermilch, Baseldeutsch im Sandkasten. Markus Heiniger hält seine beiden Schweizer Dialekte fein säuberlich auseinander. Und seine dritte Sprache ist Hochdeutsch; da gibt es keine Berührungsängste, nur Lyrik, Humor und überraschende Brückenschläge. Der heimatberechtigte Emmentaler erblickt 1968 in Basel das Licht der Welt und wächst im Baselbieterisch-Elsässischen Leimental als jüngster Spross einer musikalischen Familie auf. Seine Schwester Franziska konzertiert auf der Blockflöte, sein Onkel Bernhard auf der Kirchenorgel. Für Markus selber kommt als Kind nur das Klavier in Frage. Warum? Weil man daran sitzen kann. Seine erste Vortragsübung am Klavier brach er als Neunjähriger wegen eines sich zweimal an derselben Stelle eintretenden Blackouts ab, stand mitten im Stück auf und ging nach Hause. Das ließ er dann aber doch nicht auf sich sitzen. Es muss ihn irgendwie angestachelt haben, denn heute ist er ein gesuchter Klavierbegleiter, tritt aber auch selber mit großer Kleinkunst im Dialekt und in der Hochsprache auf. Seine jüngst erschienene CD heißt, „Es knarrt“.

Manfred Kern,  1956 in Rothenburg ob der Tauber geboren und aufgewachsen auf einem Bauernhof in Wettringen (Landkreis Ansbach), schreibt Lyrik und Prosa in Hochdeutsch und fränkisch-hohenloher Mundart. Nach einer Ausbildung zum Buchhändler in Würzburg lebt er seit 1985 als freier Schriftsteller in Coburg. Mit zahlreichen Veröffentlichungen, darunter: „ Di woahre Gschichd vo meim zweide Leewe odder wi i oahne gresseri Umschdend zum Goedhe seim goldene Kodzaamerle kumme bin“, mit CD, die eine Kurzfassung mit alternativem Schluss enthält, und „Heimatdmuseum, e Bosseschbiel in achd Schdadsione/Ein Possenspiel in acht Stationen, fränggisch und schriftdeutsch“,  hat er sich einen Namen, weit über die Region hinaus, gemacht.

Angéla Korb wurde 1982 in Pécs/Fünfkirchen (Schwäbische Türkei/Ungarn) geboren, aufgewachsen ist sie in einem kleinen Dorf (Hetvehely/Hetfehell) in der Nähe von Pécs. Nach dem Abitur immatrikulierte sie sich an der Philologischen Fakultät der Universität Fünfkirchen für Germanistik und Geschichte und beschloss ihr Studium mit der Diplomarbeit „Magyarisierungstendenzen in Fünfkirchen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts im Spiegel der Fünfkirchner Zeitung“. Während des Studiums entstanden ihre ersten Gedichte. Ihr Mentor, der sie auf dem Weg der Textproduktion begleitete, ist Dr. Horst Lambrecht, ein deutscher Literaturprofessor, der sie anspornte weiterzumachen und sie auch 2004 zu einem Seminar des Verbandes ungarndeutscher Autoren und Künstler (VUdAK) schickte, wo sie seitdem Mitglied ist. Von September 2005 bis Februar 2007 unterrichtete sie Geschichte und Deutsch als Fremdsprache am Klára-Le owey-Gymnasium. Seit Juli 2007 arbeitet sie in der Redaktion der Neuen Zeitung in Budapest mit, und ist Doktorandin der Doktorschule der Eötvös-Loránd-Universität Budapest. 2011 wurde sie mit dem Förderpreis des Donauschwäbischen Kulturpreises des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet.

Jean-Christoph Meyer, geboren 1978, ist in Blienschwiller (Unterelsass) aufgewachsen, am Fuße des Winzenbergs, wo seine Eltern Winzer sind. Er arbeitet als Journalist bei der Tageszeitung L'Alsace und wohnt in Saint-Louis, neben Basel. Im Jahre 2004 hat er einen ersten Gedichtband, “Sagittales“, veröffentlicht. 2008 hat er die Gedichte seines Großvaters, Paul-Georges Koch, ins Französische übersetzt und als zweisprachige Anthologie, „Im Kreuzfeuer zweier Kulturen“, heraus gegeben. 2011 folgte ein zweiter Band, „Garde ton souffle pour le chant de la gratitude“, er wurde in Québec veröffentlicht. Unter Leitung von Jean-Christophe Meyer wurde gerade erst in St. Louis eine trinationale Anthologie aus dem Dreyland herausgegeben: „Rheinkiesel/Galets du Rhin“. Er schreibt auf Französisch und im Dialekt und ist ein engagierter Verfechter von „Elsässisch für di Junge“.

Markus Manfred Jung, Studiendirektor am Gymnasium in Schopfheim, begründete zusammen mit dem 2000 verstorbenen Dichter Thomas Burth die Schopfheimer Mund-Art Literatur-Werkstatt und leitet sie. Vor allem mit seiner Lyrik ist er über die Grenzen des alemannischen Raums hinaus bekannt. Unter anderem wurde er 1998 beim Wettbewerb zum Lyrikpreis von Meran ausgezeichnet. Mit dem Komponisten und Musiker Uli Führe erhielt er 2007 für die auf der CD „IKARUS“ vertonten Gedichte den „Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik“. Zuletzt erschienen, von Bettina Bohn illustriert, „verfranslet diini flügel“, sein sechster Mundart-Gedichtband, und „splitter spiegel sprooch“, drei CDs mit allen bisher veröffentlichten Gedichten, eingesprochen vom Autor und musikalisch begleitet von Uli Führe.

Moderator und Leiter der Literaturgespräche in der Werkstatt ist nun schon zum achten Mal Volker Habermaier, Studiendirektor am Schopfheimer Theodor-Heuss-Gymnasium. Der aus dem Schwabenland stammende Germanist und Historiker publiziert wissenschaftliche Aufsätze zu literarischen, historischen und musikalischen Themen. Zudem ist er Schulbuchautor und Verfasser fachdidaktischer Arbeiten, auch zur Mundartliteratur. Er lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in Schopfheim-Kürnberg.

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