Zürich.- Vom 6. September bis 10. November 2013 zeigt das Kunsthaus
Zürich die erste Einzelausstellung von Lonnie van Brummelen &
Siebren de Haan in der Schweiz. Die Geschichte des im 2. Jahrhundert vor Christus entstandenen
Pergamon-Altars, der nach Ausgrabung seiner Fragmente in der Türkei im
19. Jahrhundert durch deutsche Archäologen den Berliner Museen
zugesprochen wurde, nehmen Lonnie van Brummelen (*1969) und Siebren de
Haan (*1966) zum Anlass, um über Fragen von Globalisierung, kulturellem
Transfer und Zugehörigkeit nachzudenken. Mit seinen Filminstallationen wirft das
holländische Künstlerduo ein kritisches Auge auf Migrationsbewegungen
und hinterfragt politisch-ökonomische Machtstrukturen. Das neue Werk
«Episode of the Sea» (2013) hat in Zürich Premiere. Es wird am 1.
November gezeigt und von einem Podiumsgespräch begleitet.
Ausgangspunkt der Ausstellung und zugleich das alle Arbeiten
verbindende Werk ist «Monument to Another Man’s Fatherland» (2008-2012).
Diese vierteilige Installation rückt das Thema von Grenzen und
Migration in den Fokus – und dies in einem ganz wörtlichen Sinn. Denn im
ersten Teil der Arbeit, einem 35mm-Film, scheint es, als ob die
Künstler den Fries mit der Kamera Stück um Stück abgefilmt hätten. Doch
die Künstler hatten dafür vom Pergamonmuseum keine Filmerlaubnis
erhalten. Als sie das Museum mit der Anfrage kontaktierten, ein
Kunstprojekt machen zu wollen, das die Verschiebung des Altars im 19.
Jahrhundert aus Pergamon (in der heutigen Türkei) nach Berlin
beschreibt, hatte ihnen das Museum die Zusammenarbeit verweigert. Es
wollte offenbar Diskussionen zur Repatriierung von Kunstwerken aus dem
Weg gehen. Stattdessen haben van Brummelen & de Haan in aufwändiger
Recherche Abbildungen in akademischen Publikationen und Museumsführern
aus ganz unterschiedlichen Zeiten zusammengesucht, abgefilmt, und so den
Fries im Film rekonstruiert. Ein Index gibt an, welche Abbildung aus
welcher Publikation stammt.
Ergänzend zu diesem Porträt des Altars zeigt ein 16mm-Film Porträts
junger Türken, die zur Vorbereitung ihrer Auswanderung nach Deutschland
einen Sprachkurs im Goethe-Institut Istanbul belegten. Van Brummelen
& de Haan haben die Teilnehmer dieses Kurses eingeladen, die
kunsthistorischen Beschreibungen der Friesplatten in Deutsch laut
vorzulesen. Das schwierige und ungewohnte Vokabular der Texte bereitet
den Ausreisewilligen in der Aussprache einige Schwierigkeiten und vieles
bleibt unverständlich. Erst die Untertitel machen deutlich, dass es
sich bei den Textpassagen um Beschreibungen des Kampfes der Giganten
handelt, der auf dem Pergamon-Fries dargestellt ist. Diese Aufnahmen im
16mm-Film thematisieren einerseits die verschärften Einwanderungsgesetze
in vielen Ländern Europas, die es Migranten erst erlauben, einen
Einreiseantrag zu stellen, wenn sie nachweisen können, dass sie einen
Sprachkurs absolviert haben. Neben diesen sozial-politischen Inhalten
geht es van Brummelen & de Haan aber auch um eine Reflexion des
Mediums Film und seiner Geschichte.
Das zeigt die formale Anordnung der Kurzporträts, die auf Andy
Warhols «Screen Tests» verweist. Interessant ist in dieser Hinsicht
auch, dass in etwa gleichzeitig zu den Ausgrabungen des Pergamon-Altars
das Material Zelluloid erfunden wurde, das die Entwicklung von Roll-
oder Kleinbildfilm ermöglichte und so schliesslich den Weg für den
Kinofilm ebnete. Einen anderen Ausgangspunkt hat die Arbeit «Subi dura a
rudibus» (2010), ebenfalls eine 16mm-Installation – nämlich eine Serie
von Tapisserien aus dem 16. Jahrhundert, die anlässlich der Eroberung
von Tunis durch Karl V. hergestellt wurde. Der spanisch-habsburgische
Monarch unternahm diesen Feldzug, um den Vormarsch der Türken zu
stoppen. Er beauftragte den holländischen Maler Cornelis Vermeyen, mit
den Truppen mitzureisen und die Kampfszenen in Zeichnungen festzuhalten.
Diese Zeichnungen wurden später als Tapisserien umgesetzt.
Van Brummelen & de Haan beschlossen, seine zeichnerischen
Vorlagen mit den Tapisserien zu verbinden, indem sie beide parallel
zueinander abfilmten und in einer Doppelprojektion zusammenfügten. Die
zwei rohrschach-artigen Projektionen zeigen Details der beiden Vorlagen,
die zum Teil abstrakt-malerische Formen annehmen, sich dann aber wieder
zu Bildern zusammenfügen, die an verstümmelte Körper erinnern.
Gleichzeitig verweist die Geschichte des «embedded painters» darauf, wie
eng Bildproduktion und Repräsentation von Macht schon damals
zusammenhingen.
Um die Hinterfragung von wirtschaftlichen Machtstrukturen geht es in
der Arbeit «Monument of Sugar» (2007). Darin untersuchen van Brummelen
& de Haan den Zucker-Handel zwischen Europa und Afrika und
thematisieren Fragen von globalisierter Rohstoffproduktion und
staatlicher Intervention mit künstlerischen Mitteln. In ihrem neusten
Film «Episode of the Sea» (2013), der im Kunsthaus Zürich zum ersten Mal
gezeigt wird, stellen die Künstler die aktuelle Krise und die damit
einhergehenden Veränderungen in der europäischen Fischereiindustrie zur
Diskussion. Für diesen rund eine Stunde dauernden Filmreport haben die
beiden Künstler mit betroffenen Fischern zusammengearbeitet und diese
auch als Akteure gewinnen können.
«Episode of the Sea» wird nur am 1. November 2013 um 18 Uhr in einem
speziellen Screening gezeigt, mit anschliessendem Gespräch zwischen
Lonnie van Brummelen und Siebren de Haan, der Kuratorin Mirjam Varadinis
sowie der Künstlerin Ursula Biemann und Emily Scott (gta Zürich).
Bereits im Jahr 2008 war das Künstlerduo in einer Ausstellung von
Varadinis zu Gast, in «Shifting Identities». Für die dort gezeigte
Arbeit «Grossraum» (2004/05), die sich inzwischen in der Sammlung des
Museum of Modern Art, New York befindet, erhielt Lonnie van Brummelen
den prestigeträchtigen «Prix de Rome».
Lonnie van Brummelen & Siebren de Haan
6. September bis 10. November 2013,
Kunsthaus Zürich
Heimplatz 1
CH-8001 Zürich
0041 (0)44 25384-84
info@kunsthaus.ch
/www.kunsthaus.ch
Allerlei Zweifel in der Eifel
Wer noch immer glaubt, Liebe und Mordlust haben nichts miteinander zu tun, wird vom Leben manchmal eines Besseren belehrt. Und wenn dann auc...
-
3land.- Dieses Mal geht es ohne lange Vorrede direkt zu den 3land-Termintipps. Aber halt. Zunächst wollen wir von der Redaktion Ihnen auf j...
-
Robert Schneider, 100 Frauen, 2008. Quelle: Kulturamt Waldshut B onndorf.- „Die Ausstellung „Robert Schneider: Mit einem schwarzen Pinsel&qu...
-
Bildlegende:Emil Nolde, Herbstmeer XI, 1910 Öl auf Leinwand, 70 x 89,5 cm Kunsthaus Zürich © 2009 Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde Zürich...