Mittwoch, 9. Dezember 2009

Zürich: Non-solo show, Non-group show (bis 31. 1. 10)

Abbildung: Ei Arakawa und / and Mari Mukai
homelessness, YUMING CITIES, 2008
Performance, Yokohama Triennale 2008
Courtesy der Künstler und / the artist and Reena Spaulings Fine Art, New York

Zürich.- Die Ausstellung "Non-solo show, Non-group show", bis 31. Januar 2010 in der Kunsthalle Zürich zu sehen, hat ihren Titel von einer Einzelausstellung des in New York lebenden, japanischen Künstlers Ei Arakawa in der Franco Soffiantino Galerie in Turin 2008 ausgeliehen. Zu dieser lud er zwei weitere Künstler, Nora Schultz und Henning Bohl, ein. Ausgehend von diesem Modell ging die Einladung der Kunsthalle Zürich zum einen an Ei Arakawa, der seinerseits wiederum KünstlerkollegInnen und Kollaborateure einlud, und zum anderen an vier Künstlerinnen zu Einzelpräsentationen. Beide Projekte werden räumlich und zeitlich parallel stattfinden und in der Konsequenz die beiden Ausstellungsformate Einzel- und Gruppenausstellung durchwirken.

Die acht Künstlerinnen und Künstler der Ausstellung – Ei Arakawa (*1977), der Nikolas Gambaroff (*1979), Nick Mauss (*1980) und Nora Schultz (*1975) zu einer Zusammenarbeit eingeladen hat, und die zu Einzelprojekten eingeladenen Künstlerinnen Kerstin Brätsch (*1979), die zusammen mit Adele Röder (*1980) auch mit dem gemeinsamen Projekt DAS INSTITUT vertreten ist, Klara Liden (*1979), Carissa Rodriguez (*1970) und Nora Schultz – werden gemeinsam alle Räume der Kunsthalle bespielen und Zonen individueller Setzungen wie kollektive Entwicklungen erlebbar machen.

Die Arbeitsweisen und künstlerischen Haltungen der Künstlerinnen und Künstler der Ausstellung "Non-solo show, Non-group show" zeichnen sich durch eine Reihe von ähnlichen Merkmalen aus: Allen gemeinsam ist das Austesten von Produktions- und Bedeutungsmöglichkeiten traditioneller künstlerischer Medien wie Malerei, Skulptur, Plastik, Fotografie, Vervielfältigungs- und Druckverfahren und Installation; sie teilen einen experimentellen und improvisierten Umgang mit leicht zugänglichen, gebrauchten und vorgefertigten Materialien; sie spielen mit Ideen der Selbstorganisation des Kollektiven sowie dem Aktionistischen und operieren insgesamt mit einem performativen Zugang sowohl in den eigenen Werken, als auch im Umgang mit Materialien und Räumen. Das Erproben unterschiedlicher Formen historischer Bedeutungsmodelle von Kunst und Kunstwerken in der Tradition der modernen Avantgarden spielt in ihren Arbeiten ebenso eine Rolle, wie das Variieren von Ideen des künstlerischen Environments als performative Modellsituation des Einbezugs ihres Publikums.

Die Ausstellung in der Kunsthalle Zürich entsteht als Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern und umfasst neben bereits bestehenden individuellen Arbeiten auch vor Ort erarbeitete Objekte, Installationen und räumliche Ensembles, die wiederum sowohl individuelle Werke wie kollektive Produktionen sind. Diese Produktion einer Ausstellung verwebt Ideen der barocken temporären Festarchitektur mit philosophischen Ansätzen zu neuen Formen der Gemeinschaftlichkeit, wie sie etwa von Giorgio Agamben oder Simon Critchley formuliert werden. Interdisziplinäre Avantgardemodelle und künstlerische Ansätze der Negation von Konkretisierungen, Vermarktbarkeit von Werken und Individualität wie sie von Gruppen wie Jikken Kobo im Japan der 1950er Jahre durchgeführt wurden, spielen dabei ebenso eine Rolle wie das Spiel mit Regeln und Zufall in der Form des Happenings, Fragen nach Autorschaft und der Re-Interpretation von Sprachen und Inhalten, wie sie durch die heutige Informationsgesell-schaft thematisiert werden.

Die Produktion vor Ort wird sich in unterschiedlichen Formaten auch während der Laufzeit der Ausstellung in speziellen performativen Events fortsetzen. Zusätzlich zum „Event“ der eigentlichen Eröffnung wird in einer einmaligen Präsentation der bis anhin nur wenige Male öffentlich gezeigte Film Torse (1978) von Charles Atlas gezeigt. Er ist eine Zusammenarbeit dieses bekannten Kollaborateurs mit Tänzern der Company der Tanzlegende Merce Cunningham und der Komponistin Maryanne Amacher, deren dramatische Inszenierungen von Musik und Ton sich durch die Anwendung von Architektur und seriellen Erzählungen auszeichnen. Torse zeigt während 60 Minuten in einer Doppelprojektion eine Choreographie Cunninghams, dessen Werk von dialektischen Fragen der Regel und des Zufalls bestimmt ist.

Ei Arakawa ist mit Performances bekannt geworden, die er zunächst in einer offenen Gruppe unter dem Namen „Grand Openings“ realisierte. Arakawa und seine Kollaborateure schaffen räumliche Situationen, die Akteure, Publikum und Objekte in ein Feld von Erfahrungs- und Realisierungsmomente einbinden. Improvisiert wird mit einfachen Baumaterialien, Videos, choreographierten Sequenzen und bedruckten Bannern oder Postern. In der Kunsthalle Zürich werden zusammen mit Nikolas Gambaroff, Nick Mauss und Nora Schultz verschiedene räumliche Situationen und performative Objekte geschaffen, darunter Konstruktionen mit überdimensionierten, beweglichen Laternen und eine Installation aus 325 Monogrammen, die jeweils aus zwei Buchstaben bestehen und vorgegebene Begriffe repräsentieren (wie zum Beispiel die Namen bekannter amerikanischer TV-Serien), zugleich aber auch als Zufallsgenerator für Sprache und poetische Konstruktionen in der zufälligen Anordnung von Monogrammen als räumliche Installation funktionieren. Die Installation thematisiert so auch die Ablehnung der Situationisten gegenüber der klischeehaften Vorstellung, dass Kunst „poetisch“ zu sein habe, indem sie dieser mit dem Schaffen von poetischen Situationen des Experiments und einer Realisierung des Poetischen als gelebte Erfahrung begegnet.

Die schwedische Künstlerin Klara Liden gestaltet Räume, in denen das Publikum in die Erfahrung der eigenen Performativität eingebunden wird. Die Künstlerin baut diese vor Ort mit gebrauchten, meist billigen Materialien. Liden nistet sich in bestehende Strukturen ein, funktioniert diese um und schafft verdichtete, psychologisch aufgeladene „Sonderräume“, die von ihren normalen Funktionen befreit sind und andere Modelle des Verhaltens, Fühlens und Agierens vorschlagen. Sie setzt in diesen Räumen immer wieder auch Videos ein, die gesellschaftliche Konventionen und Rollendefinitionen strapazieren und mentale wie körperliche Reaktionen initiieren.

Die minimalen Skulpturen, Objekte, Diaprojektionen, Filme und Installationen von Nora Schultz setzen sich aus gefundenen Materialien zusammen, die sie in einer intensiven und direkten Auseinandersetzung mit einer konkreten Realität, einem gegebenen Kontext sowohl auf politische und gesellschaftliche Themen wie auch auf eine abstrakte Formensprache hin untersucht. Die Künstlerin re-organisiert ihre gefundenen Materialien, biegt, wendet, transformiert sie – meist in einem performativen Akt im Ausstellungsraum selbst – zu filigranen Skulpturen, die leise, aber dadurch nicht weniger insistierende Kommentare zur künstlerischen Form wie zur Gegenwart der aktuellen und historischen Wirklichkeit sind.

Die grossformatigen Malereien Kerstin Brätschs beruhen auf einer konzeptuellen Praxis, die den performativen Aspekt des Bildes und die damit einhergehenden Fragen der Präsentation, der Distribution und der Zuschreibung von Bedeutung in den Mittelpunkt stellen. Gemeinsam mit der Berliner Künstlerin Adele Röder arbeitet Kerstin Brätsch seit 2007 auch für DAS INSTITUT, ein Projekt, das den beiden Künstlerinnen – das Klischee einer „Import / Export Agency“ aufgreifend – eine Plattform bietet, um ihre individuellen Arbeiten auf funktionsspezifische Fragestellungen hin zu untersuchen und Fragen des Design (Muster), der Werbung (Ankündigung) und der Reproduktion (Kopie) unabhängig von einer identifizierbaren Autorschaft und gleichzeitig als Problematik künstlerischer Produktion allgemein zu thematisieren.

Auch Carissa Rodriguez, die als Künstlerin, Schriftstellerin und Galeristin agiert, thematisiert in ihrer Arbeit Fragen der Autorschaft, der Originalität und kollektiver Produktionsbedingungen. Zur Ausstellung trägt sie eine Gruppe von industriell hergestellten Textilien, Inkjet-Drucken und Malereien bei, die mit Ideen der Repetition und Differenz, der Massenproduktion sowie der subjektiven Interpretation des „Massen-Ornaments“ (die als möglichen Subtext das Privatleben der Künstlerin haben) operieren. Ein roter Punkt „blutet“ wie in einem schlechten Komik; das Motiv erscheint ebenfalls auf gemusterten Stoffen, die auf Leinwände aufgezogen wurden. Rodriguez setzt sich mit gegenwärtigen Oberflächenstrukturen auseinander, die als eine Form von fester Währung und des narrativen Raums fungieren. Dabei stellt sich immer auch die Frage, welche dieser Formen geeignet sind, über die Kluft zwischen den Geschlechtern hinweg zu spielen. Ein Text begleitet die Installation.

Das Ausstellungsprojekt "Non-solo show, Non-group show" ist Teil einer Serie von Ausstellungen, die im Verlaufe der letzten Jahre in der Kunsthalle Zürich realisiert wurden und Fragen zur kollektiven Kreativität und individuellen künstlerischen Stimme in Ausstellungen aufwerfen, unter anderem in Form von durch Künstlerinnen und Künstler initiierten Projekten wie "No Ghost Just a Shell" (2002) und "How to Cook a Wolf" (2007-2008) oder im Format der transformierten Einzelausstellung wie in den Projekten von Philippe Parreno (2009), Liam Gillick (2008), Guyton / Price / Smith / Walker (2006) und Dominique Gonzalez-Foerster (2004).

Für weitere Informationen: http://www.kunsthallezurich.ch

Öffentliche Führungen:
SONNTAGSFÜHRUNGEN, 14 Uhr: 6.12. (Rahel Blättler) / 20.12. (Joya Indermühle) / 10.1. (JI) / 24.1. (RB)
LUNCHFÜHRUNGEN: jeweils Mittwoch, 12.30 Uhr

Öffnungszeiten:
DI/MI/FR 12 – 18 UHR, DO 12 – 20 UHR, SA/SO 11 – 17 UHR, MO GESCHLOSSEN
FEIERTAGE: 26.12. / 31.12. / 1.1. / 2.1., 11-17 Uhr
GESCHLOSSEN: 24.12. / 25.12.

Kunsthalle Zürich
Limmatstr. 270
CH-8005 Zurich
Tel +41 44 272 15 15
Fax +41 44 272 18 88

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