Dienstag, 23. November 2010

Moser: Bauen für die Kunst

Antoniuskirche, Zürich (1901-1908), Hauptfassade und Turm. Entwurfszeichnung und Skizzen, 1906/07; gta Archiv, ETH Zürich

Zürich.- Vom 17. Dezember 2010 bis 27. Februar 2011 zeigt das Kunsthaus Zürich Zeichnungen, Skizzen, Modelle und Möbel des renommierten Architekten Karl Moser (1860-1936). Mit Bauten für die Universität Zürich, der St. Antoniuskirche und dem Badischen Bahnhof in Basel oder der Lutherkirche in Karlsruhe hat der in der Schweiz als «Vater der Moderne» Verehrte Architekturgeschichte geschrieben. Mosers Kunsthaus von 1910 ist das Paradebeispiel eines Bauens für die Kunst und mit der Kunst. David Chipperfields aktuelles Projekt für die Erweiterung des Kunsthaus Zürich knüpft daran an.

Aus einer Schweizer Architektenfamilie stammend, gehört Karl Moser zu jenen überragenden, weltoffenen Persönlichkeiten, die die moderne Architektur am Ende des 19. Jahrhunderts begründet und sie bis weit ins 20. Jahrhundert hinein fortgeschrieben haben. In seiner Heimat wurde er schon zu Lebzeiten als «Vater der Moderne» verehrt. Doch war Karl Moser nicht nur eine nationale Grösse. Fast 30 Jahre lang, von 1888 bis 1915, führte er zusammen mit seinem Partner Robert Curjel ein grosses und ausserordentlich erfolgreiches Architekturbüro in Karlsruhe. 1915 erhielt Moser einen Ruf an die ETH Zürich und kehrte in die Schweiz zurück. Dort wurde er zum wichtigsten Lehrer und Mentor einer jungen, nach neuen Wegen suchenden Architektengeneration.

Mosers immenses Werk umfasst nahezu 600 Bauten und Projekte. Zürich ist die Stadt mit der grössten Dichte an Hauptwerken. Dazu gehört allen voran das Kunsthaus Zürich, das Moser 1904–1910 plante und ausführte. 1924/25 wurde es von ihm um einen Anbau ergänzt. Bis zu seinem Tod entwarf Moser noch zahlreiche Erweiterungsprojekte. Auch das über der Altstadt thronende Hauptgebäude der Universität, die Kirche Fluntern und die Antoniuskirche in Zürich-Hottingen sind sein Werk. Städte wie Aarau, St. Gallen, Basel, Mannheim, Frankfurt am Main und Kiel erhielten von ihm prominente Gebäude. Und in Karlsruhe prägten annähernd 70 Geschäftshäuser, Kirchen und Villen ganze Stadtgebiete.

Übergeordnetes Thema der Ausstellung im Kunsthaus Zürich sind die vielschichtigen Beziehungen zwischen den Sphären von Architektur und Kunst, die sich mit Mosers Werk verbinden: Seine lebenslange enge Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern wie Carl Burckhardt, Oskar Kiefer oder Max Laeuger, die künstlerische Ausstattung seiner Bauten, der eigene Kunstanspruch, die künstlerische Visualisierung von architektonischen Ideen und das Bauen für die Kunst. Mit rund 300 Objekten ist die Ausstellung reich bestückt. Sie verbindet historisch-biografische Inhalte wie die Zeit Mosers in Karlsruhe oder seine Rolle als «Vater der Schweizer Moderne» mit thematischen Schwerpunkten. In diesem Rahmen werden zentrale Bauaufgaben und Werkgruppen behandelt: Kirchen, Geschäftshäuser, Wohnhäuser und Wohnräume, öffentliche Monumentalbauten, Projekte und Ideen für das moderne Zürich sowie freie künstlerische Arbeiten.

Der Hauptteil wird in den vor wenigen Jahren denkmalgerecht renovierten und teilweise in ihrer ursprünglichen Ausstattung rekonstruierten Räumen des ehemaligen Ausstellungsflügels des Kunsthauses gezeigt. Mit seiner Einrichtung, der spezifischen Farbgebung und dem räumlichen Gefüge ist der Ort selbst ein Werk Karl Mosers. Damit bietet sich die für eine Architekturausstellung seltene Gelegenheit, ein Hauptwerk nicht nur durch Pläne und Modelle veranschaulicht zu finden, sondern den Ort als Objekt unmittelbar zu erleben. Im Kabinett im Erdgeschoss werden Dokumente zum Kunsthaus von 1910, zu dessen Erweiterung im Jahr 1925 und Mosers nicht realisierten Projekten der dreissiger Jahre ausgestellt. Die Zusammenarbeit und Beschäftigung mit Ferdinand Hodler und dessen Kunst thematisiert ein Bereich direkt unter Hodlers Wandgemälden im ersten Obergeschoss.

Hier und an anderer Stelle werden Teile der Zeichnungen und Pläne (140), Fotos (70) und Architekturmodelle in unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit Entwürfen für den skulpturalen Schmuck und kunstgewerblichen Objekten gebracht, die für die künstlerische Ausstattung von Mosers Architektur stehen. Der Hodler-Saal ist mit Möbeln eingerichtet, die zur Originalausstattung durch Moser gehören. Eine Seltenheit unter den Ausstellungsstücken sind die rund 20 fragilen Gipsmodelle – Studien für den Fassadenschmuck des Kunsthauses sowie Entwürfe für weitere Bauskulpturen, ergänzt um Skizzenbücher und andere Dokumente (45), die das Bauen mit der Kunst illustrieren.

Die in Kooperation mit dem Institut für Geschichte und Theorie der Architektur gta der ETH Zürich konzipierte Ausstellung feiert den 150. Geburtstag von Karl Moser. Sie ist ausserdem Schlussstein im Programm zum 100. Jubiläum des Kunsthaus Zürich und verabschiedet den Besucher mit einem Blick auf die vom britischen Architekten David Chipperfield geplante Kunsthaus-Erweiterung. Ein neues Modell ermöglicht Einblick in die soeben für den Gestaltungsplan abgeschlossene, noch einmal modifizierte Konfiguration der Räume. Bis 2015 soll das sich in der Materialität und Organisation am bestehenden Museum orientierende Projekt auf der gegenüberliegenden Seite des Heimplatzes realisiert werden. An Führungen mit Kuratorin Sonja Hildebrand und bei Workshops mit Architekt Giacinto Pettorino können 100 Jahre Kunsthaus-Architektur nachvollzogen, die anstehende, von den Inhalten zur Form gelangende Erweiterung auf ihre Kohärenz mit der modernen Bautradition am Heimplatz überprüft werden.

Ziel der Erweiterung ist es, das Ensemble als Neues Kunsthaus beiderseits des Heimplatzes den Bedürfnissen der Kunst und des Publikums im 21. Jahrhundert anzupassen. Die Kunst ab den 1960er Jahren soll stärker repräsentiert und mit der Sammlung Bührle der in Europa (nach Paris) bedeutendste Schwerpunkt für französische Malerei und Impressionismus geschaffen werden. Eine zentrale Halle und ein Garten der Kunst als Treffpunkt und Verbindung zum Hochschulquartier erhöhen die Identifikation mit einem Ort, der bereits von Karl Moser als städtischer Platz gedacht war und seither – mit seiner Vision und einer in demokratischer Tradition «Kunsthaus» genannten Institution – zum Symbol für bürgerlichen Gemeinsinn und wegweisende städtebauliche Entwicklung geworden ist.

Die zweibändige, über 700 Seiten starke und mit mehr als 1000 Abbildungen reich illustrierte Publikation «Karl Moser. Architektur für eine neue Zeit, 1880 bis 1936» erscheint im gta Verlag und wird ab Dezember im Buchhandel erhältlich sein.

Öffnungszeiten: Sa/So/Di 10 – 18 Uhr, Mi bis Fr 10 – 20 Uhr. Montag geschlossen

Karl Moser
17. Dezember 2010 bis 27. Februar 2011
Kunsthaus Zürich
Heimplatz 1
CH - 8001 Zürich
0041 (0)44 25384-84
info@kunsthaus.ch
http://www.kunsthaus.ch

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